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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars
Autoren: Klaus Frühauf
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Weg führt durch die Wüste Mortula, und er hat einen verrenkten, vielleicht sogar gebrochenen Fuß. Ganz so zuversichtlich wie kurz nach der Havarie ist er nicht mehr, und jetzt glaubt er auch nicht mehr, daß die Gefährten grinsen werden, wenn er zurückkommt. Wenn…
    Es wird schnell dunkel, und er kriecht mit zusammengebissenen Zähnen unter das zertrümmerte Cockpit. Dabei fällt ihm ein, daß das eigentlich völlig sinnlos ist. Es gibt weder Tiere noch Pflanzen auf Mars, wovor also sollte er sich fürchten? Trotzdem bleibt er unter den schützenden Trümmern und fühlt sich irgendwie geborgen. Er schiebt dieses Aufsuchen seiner »Höhle« auf einen Urinstinkt, den wohl niemand je loswerden wird.
    Vorsichtig regelt er die Stromaufnahme der Anzugheizung ein. Die Temperatur darf nur so hoch sein, daß es eben noch auszuhalten ist. Und wenn er friert wie ein Schneider, er darf nicht zuviel Strom verbrauchen. Frieren schadet nichts, sagt er sich, nur erfrieren darf er nicht.
    Zwei Stunden später ist ihm hundekalt. Der Sand um ihn herum glitzert feucht, aber er weiß, daß es sich nicht um Wasser handelt. Wasser wäre bei diesen niedrigen Temperaturen längst gefroren. Aus der dünnen Atmosphäre fällt Kohlendioxid aus und kondensiert auf dem Sand. Wenn die Sonne den Sand gegen Morgen erwärmt, wird es sich wieder verflüchtigen. Kronert wünscht im Augenblick nichts so sehr, als daß diese Nacht bald zu Ende gehen möge. Nichts erscheint ihm so schön wie die Sonne.
    Als die kleine, aber hell strahlende Sonne über den geraden, wie mit einem Lineal gezogenen Horizont heraufrollt, treffen ihre Strahlen auf einen Menschen, der auf den Knien liegt und mit beiden Armen heftig um sich schlägt. Bernd Kronert wendet die älteste, aber in seiner Situation immer noch probateste Methode an, um sich aufzuwärmen, er bewegt sich kräftig.
    Bereits nach wenigen Minuten unterbricht er seine Tätigkeit und streckt den Rücken. Er fühlt bereits jetzt die Wärme der Sonnenstrahlen durch den Raumanzug. Als er aufblickt, sieht er über sich einen klaren Himmel, blau wie auf der Erde und doch anders. Minutenlang überlegt er, dann weiß er, was anders ist. Um die Sonne herum ist der Himmel viel dunkler, fast schwarz. Und er weiß, daß ein vor Hitze flimmernder Tag über der Mortula zu erwarten ist.
    Vor ihm liegt sie, die Mortula, die Todeswüste. Wer weiß, wer diesem Landstrich solch einen blöden Namen gegeben hat? Vielleicht einer der Wissenschaftler, die als erste die Stelle erreichten, an der jetzt Ares 4 steht. Gestern wäre er noch bereit gewesen, sich über den Namen Mortula zu amüsieren, heute aber ist das anders.
    Er schützt die Augen mit der Hand. Das Sonnenlicht läßt die weiten Sandflächen heller erscheinen. Dann greift er zur Seite, wo die Aluminiumstrebe liegt, die er sich gestern abend noch aus dem zertrümmerten Cockpit gebrochen hat, die Strebe, die er als Stütze benutzen will. Langsam richtet er sich mit ihrer Hilfe auf und tut zögernd ein paar Schritte den langen Hang hinunter, dorthin, wo der Cerberus, dieser blankpolierte Höhenzug, in die Mortula übergeht. Der Hang ist überzogen mit einer knöcheltiefen Schicht feinen Staubs, das Gehen fällt schwer, und da unter dem Staub blanker Fels liegt, rutscht er immer wieder aus. Jede dieser ungewollten Bewegungen verursacht stechende Schmerzen im Fuß. Trotzdem marschiert er, als gelt es, einen Rekord aufzustellen. Aber es gilt ja ungleich mehr, als sportlichen Ruhm zu erzielen, es geht um das nackte Leben.
     
    Rechts neben ihm marschiert sein Schatten. Sinnlos kriecht er über flache Hügel und gleitet in kaum sichtbare Täler, Kolke, über die der Wind hinterlistig losen Sand gehäuft hat.
    Gegen Mittag beginnt Kronert zu schwitzen. Die Sonne scheint ihm unbarmherzig ins Gesicht. Obwohl sie kleiner ist als auf der Erde und obwohl sich die Helmscheibe kontinuierlich mit dem Ansteigen der Lichtintensität getrübt hat, wird der Marsch bald zur Quälerei. Kronert beginnt leise zu fluchen. Seit Jahren gibt es Schutzanzüge, die mit einem Thermoportsystem ausgerüstet sind, mit Kanülen, die den Anzug unter seiner obersten Haut durchziehen und durch die eine schwer siedende Flüssigkeit gepumpt wird, um die Wärme zu verteilen, aber wer würde schon auf die Idee verfallen, die Piloten mit derartigen Anzügen auszurüsten?
    Es ist zum Verrücktwerden, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Leben von einer einzigen Fehlentscheidung abhängen kann.
    Bald
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