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Die Wasser des Mars

Die Wasser des Mars

Titel: Die Wasser des Mars
Autoren: Klaus Frühauf
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Konturensitz preßt und ihm den Unterkiefer herabdrückt. Verschwommen sieht er die fallenden Sandmassen heranrasen, hört wieder das Rauschen auf den Flächen. Der Sand versucht die Maschine aus der Kurve zu ziehen, aber Kronert hält den Lenkhebel mit eisernen Muskeln, und wieder schafft er es.
    Als das Rauschen abbricht, weiß er, daß er wieder eine Galgenfrist hat, mindestens zwanzig Minuten, in denen er verschnaufen kann. Und vielleicht flaut der Sturm vorher noch ab. Dann sind alle Sorgen, die er sich in den letzten Minuten gemacht hat, umsonst gewesen.
    Er blickt auf das Steuerpult. Auch der letzte Flügel der Libelle ist verschwunden. Kein Wunder, er fliegt parallel zum Leitstrahl. Immer wieder schielt er zum Pult, starrt auf das kleine Fenster, hinter dem der beruhigende grüne Fächer den richtigen Kurs anzuzeigen hat. Aber der Raketoplan fliegt nicht auf dem richtigen Kurs, Kronert fliegt zur Zeit unter einem Winkel von neunzig Grad zum Leitstrahl. Also kann der Fächer gar nicht zu sehen sein.
    Unmittelbar daneben, auf dem Bildschirm des Kursschreibers, hat die grüne Schlange in der Zwischenzeit eine blödsinnig verknotete Linie gezeichnet. Auch diese Schlange sieht jetzt verwaschen und schwindsüchtig aus, es wäre töricht, sich nach ihr richten zu wollen.
    Fast ist Kronert geneigt, auf die Technik zu schimpfen oder auf die, die sie geschaffen haben, aber er fühlt, daß das ungerecht wäre. Er blickt auf die Uhr. Eigentlich müßte er jetzt bereits über Ares 4 stehen. Grind und Cortez werden sich Sorgen um ihn machen, um ihn und seine Ladung.
    Normalerweise bezeichnet er die Wissenschaftler als Büromenschen, manchmal hat er auch noch schlimmere Ausdrücke für sie, aber zur Zeit beneidet er sie. Da sitzen diese beiden sicher und geborgen in ihrer Station, sehen und hören nichts von diesem mörderischen Sturm und können sich wahrscheinlich nicht erklären, wo er abgeblieben ist. Vielleicht streiten sie sich auch schon wieder. In Gedanken an sie muß er trotz seiner kritischen Situation lächeln. Seit sie auf Ares 4 stationiert sind, liegen sie sich in den Haaren, und zwar ausschließlich über wissenschaftliche Dinge. Statt sich mit der Tatsache zufriedenzugeben, daß alle zwei Erdjahre der Winter mit seinen Ammoniakmassen bis an ihre Station herankriecht, suchen sie nach Interpretationen, warum er in den einen Teil der Mortula weiter vordringt als in den anderen, woher bestimmte Temperaturdifferenzen kommen und wieso er aus einer Gegend schneller verschwindet als aus einer anderen.
    Der Kursschreiber hat sich wieder beruhigt. Zwar wirkt die Schlange noch immer recht unterernährt, aber sie kriecht zielstrebig in eine bestimmte Richtung, allerdings in die falsche. Und die Libelle ist auch nicht zu sehen. Das ist normal! sagt er sich. Sie darf nicht zu sehen sein. Ich fliege rechtwinklig zu meinem Kurs.
    Trotzdem schiebt er die Maschine in eine flache Kurve und atmet erst beruhigt auf, als sich in dem Fensterchen ein breites, mattes Flimmern in zartem Grün zeigt. Der Leitstrahl ist also immer noch da, noch hat er ihn nicht verloren. Gleich fühlt er sich besser.
    Sein nächster Blick gilt der Uhr. Die zwanzig Minuten sind fast vorüber. Vorsichtig nähert er sich der vom Cerberus abgewandten Seite, der Seite, an der der Sand aus großer Höhe zur Marsoberfläche herabstürzt. Weiter und weiter bringt er die Maschine an den Vorhang aus Staub heran, und als das Rauschen wieder aufklingt, als er erneut den Druck auf den Flächen spürt, zieht er die Kurve nach Süden hin an.
    Bereits als er die Kurve halb durchflogen hat, zu einem Zeitpunkt, da der Libellenflügel zwar matt, aber doch schmal und scharf leuchtet, die Kursschlange jedoch erneut einen sinnlosen Knoten zu schlagen beginnt, weiß er, daß er es nicht mehr schaffen wird. Die staubfreie Zone hinter dem Bergrücken ist auf dieser Seite weit schmaler. Sekundenlang überlegt er, ob er die Strecke durch Steig- oder Fallflug verlängern soll, dann zieht er den Lenkhebel nach hinten. Einen Augenblick lang hebt die Maschine die Nase, dann setzt heftiges Rauschen auf der rechten und gleich danach auf der linken Tragfläche ein.
    Mit äußerster Kraftanstrengung zieht er am Lenkhebel, hält ihn an den Leib gepreßt. Erst als der Hebel trotzdem in seiner Stellung verharrt, wird ihm bewußt, daß jede Kraftanwendung sinnlos ist. Die Lenkung ist eine Folgesteuerung, die einen bestimmten Hebelausschlag mit einer bestimmten Flossenstellung beantwortet.
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