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Die Wand der Zeit

Die Wand der Zeit

Titel: Die Wand der Zeit
Autoren: Alastair Bruce
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Wind nachzulassen.
    Am Morgen nehme ich meine Angel und gehe an den Strand. Ich stelle mich so hin, dass ich möglichst das Steilufer im Blick habe. Dennoch muss ich ab und zu nach der im Wasser liegenden Schnur sehen und kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass ich beobachtet werde, beobachtet von einem, der direkt hinter der Kliffkante kauert, den Mund dicht überm Gras, mit dem er vielleicht flüstert, genau wie er mir etwas zuflüstert, nur weiß ich nicht, was. Es ist eine Sprache, die ich nicht kenne.
    Ich fange einen kleinen Fisch, gehe zur Höhle zurück und backe ihn in der Glut des Feuers.
    Nachdem ich das Feuer zwei Tage fast ununterbrochen in Gang gehalten habe, sind meine Holz- und Torfvorräte aufgebraucht. Ich weiß, dass ich mich darum kümmern muss. Ich raffe mich auf und ziehe mit der Axt in der Hand los. Den Spatenlasse ich da. Zum Torfmoor will ich nicht. Noch nicht. Ich weiß, dass ich auch dort wieder hingehen werde. Aber vorläufig muss der Mann warten.
    Der Weg zum Wald ist beschwerlich, und mir geht die Puste aus. Nahrungsmangel, sage ich mir. Ich erinnere mich nicht, dass es je so mühsam war. Meine Füße sinken sogar ein, wenn ich auf Gras laufe. Ich sehe auf sie runter. Wenn ich fester auftrete, steigt das Wasser an die Oberfläche. Gras und Schlamm glitschen mir über die Füße. Immer wieder blicke ich mich um, warte ich darauf, dass hinter mir Hügel entstehen, als würden sie von einem mannsgroßen maulwurfartigen Geschöpf aufgewühlt. Nie tut sich etwas.
    Ich erreiche den Wald. Der Boden ist hier etwas höher als das umliegende Flachland.
    Wald kann man es nicht mehr nennen. Ein Kreis von hundertfünfundzwanzig dürren Bäumen. Um sie herum ein brauner Nadelteppich. Die Bäume sind keine vier Meter hoch. Ein Fachmann kann sie mit je zwanzig Axthieben schlagen.
    Dunkel ist es hier. Dunkel durch die Bäume.
    Als ich mich in die Mitte des Baumkreises stelle, kann ich schauen, wohin ich will, immer ist in meinem Rücken ein mögliches Versteck. Schaue ich nach Norden, zur Steilküste hin, spüre ich, dass sich hinter mir etwas bewegt. Schaue ich nach Süden, Richtung Torfmoor, verzieht sich die Gestalt nach Norden.
    Die Schemen hinter meinen Augenlidern sind immer bei mir.
    Ich sehe wieder auf meine Füße. Wenn ich mir diesen anderen nicht einbilde, muss er sich unterirdisch fortbewegen. Durch ein Netz von Tunneln, das sich unter dem Wald herzieht, mit verborgenen Eingängen. Oder sie laufen unter der gesamtenInsel durch. Ein Vermächtnis aus der Zeit des Qualms. Müsste ich nur graben, um einen Tunnel, ein Tunnelnetz, ein ganzes Labyrinth von Gängen zu entdecken, eine Siedlung oder sogar eine Stadt? Liegt eine Welt unter mir? Eine Welt, in der Wesen auf den Spuren des Landtiers umherhuschen, dessen Anwesenheit sie über sich spüren? Sie warten auf den geeigneten Zeitpunkt, es durch Schlick, Moos, Erde zu sich hinabzuziehen. Vielleicht sind die Tunnel mit Wasser gefüllt. Vielleicht laufe ich auf einer hohlen Insel herum, an der nur die Oberfläche fest ist.
    Ich nehme die Axt, schwinge sie über den Kopf und schlage sie mit voller Wucht in die Erde. Sie fährt durch Laub und Erdreich und trifft dann auf etwas Festeres. Ich grabe hektisch mit den Händen, doch es ist nur eine Wurzel. Ich habe eine Wurzel glatt durchtrennt. Saft sickert aus der Wunde.
    Ich weiß, was ich zu tun habe, weiß, was ich will. Ich ergreife wieder die Axt und mache mich an den ersten Baum. Nach ein paar schnellen Schlägen sind jedoch meine Finger feucht, die Axt fliegt mir aus den Händen, und ich rutsche selber aus. Ich stehe auf und sehe etwas aus dem Augenwinkel. Etwas Weißes huscht hinter den Bäumen entlang. Ich rufe, höre aber nur mein eigenes Echo. Ich bin zu schnell aufgestanden und außer Atem. Punkte tanzen mir vor den Augen, und ich muss mich zwischen den Kiefern hinsetzen. Wo ich die Gestalt gesehen zu haben meine, ist nichts mehr.
    Ich hacke weiter. Jetzt gehe ich langsam und systematisch vor. Ab und zu blicke ich mich um. Als der Baum fällt, schneide ich Laub und Äste nicht ab, sondern mache mich an den nächsten Baum. Und als der fällt, an den nächsten und wieder den nächsten. Ich hacke die ganze Nacht durch. Woher ich die Ausdauer nehme, weiß ich nicht. Mitte des nächsten Nachmittagsliegt jeder einzelne Baum am Boden. Von einem schneide ich die Äste ab und nehme so viele mit, wie ich tragen kann.
    Ich laufe mit meinem Bündel durchs Gras. Erst, als ich wieder in der Höhle bin,
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