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Die Wahrheit über Alice

Die Wahrheit über Alice

Titel: Die Wahrheit über Alice
Autoren: Rebecca James
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getragen. Wahrscheinlich
     hast du’s dir für einen besonderen Anlass aufgespart.»
    «Nein. Ich zieh was anderes an. Etwas Besonderes.» Alice hält es vor mich. «Probier’s an.»
    Das Kleid sitzt perfekt und passt wirklich gut zu meinen Stiefeln. Das Rot bringt meinen dunklen Teint und die dunklen Haare
     zur Geltung, und ich lächle Alice glücklich im Spiegel an. Ich bin begeistert und froh, dass ich ihre Einladung angenommen
     habe.
    Alice geht in die Küche und holt eine Flasche aus dem Kühlschrank. Es ist Sekt. Er ist rosé.
    «Mhm, lecker», sagt sie und küsst die Flasche. «Meine einzig wahre Liebe. Und hey, seit gestern bin ich volljährig.»
    Sie öffnet die Flasche, lässt den Korken gegen die Decke knallen und gießt uns beiden ein Glas ein, ohne vorher zu fragen,
     ob ich auch was will. Sie geht mit ihrem ins Bad, um zu duschen und sich zurechtzumachen, und als sie verschwunden ist, hebe
     ich mein Glas und nehme einen kleinen Schluck. Seit der Nacht, in der meine Familie zerstört wurde, habe ich keinen Alkohol
     mehr getrunken. Nicht einen Tropfen. Aber andererseits habe ich mich seitdem auch nicht mehr mit einer Freundin amüsiert,
     und so setze ich das Glas wieder an den Mund und genieße das |19| Gefühl der perlenden Flüssigkeit an den Lippen, auf der Zunge. Ich lasse einen weiteren kleinen Schluck durch die Kehle gleiten
     und bilde mir ein, die Wirkung unmittelbar zu spüren, zu fühlen, wie der Alkohol mir durch die Adern strömt, meine Lippen
     zum Prickeln bringt, mir zu Kopf steigt. Der Sekt ist süß und süffig wie Likör, und ich muss mich zwingen, nicht alles auf
     einmal herunterzukippen.
    Ich koste jeden Mundvoll aus und genieße es, wie sich mein Körper mit jedem Schluck mehr und mehr entspannt. Als das Glas
     leer ist, bin ich fröhlicher, heiterer, unbeschwerter – fast eine normale Siebzehnjährige   –, und ich lasse mich auf Alice’ buntes Sofa fallen und kichere einfach so ohne Grund. Und ich sitze noch immer so da, lächle,
     genieße die angenehme Schwere meines Körpers auf dem Sofa, als Alice wieder ins Zimmer kommt.
    «Wahnsinn. Alice. Du siehst   …» Ich zucke die Achseln, finde einfach nicht das passende Wort. «Du siehst umwerfend aus!»
    Sie hebt die Arme und dreht sich auf den Zehenspitzen. «Na, vielen Dank, Miss Katherine», sagt sie.
    Alice ist schön, atemberaubend schön. Sie ist groß, mit vollen Brüsten und langen, wohlgeformten Beinen, und ihr Gesicht ist
     ein Bild der Vollkommenheit: die Augen strahlend tiefblau, die Haut golden schimmernd.
    Ich bin auch nicht gerade hässlich, aber neben Alice komme ich mir total reizlos vor.
    Während wir auf das Taxi warten, geht Alice mit unseren leeren Gläsern in die Küche und schenkt Sekt nach. Als ich aufstehe,
     um mein Glas zu holen, merke ich, dass mir leicht schwindelig wird. Es fühlt sich nicht unangenehm an – im Gegenteil, es macht
     mich leicht und locker und entspannt. Und plötzlich kommt mir dieses Gefühl, diese benommene Glückseligkeit, |20| dieser Eindruck, dass die Welt ein gütiger und freundlicher Ort ist, so furchtbar vertraut vor, und ich merke, wie sehr es
     mir Angst macht. Alkohol trickst deinen Verstand aus, er lässt dich unvorsichtig werden, wiegt dich in dem Glauben, dass irgendwer
     schon auf dich aufpassen wird – aber ich weiß, dass das nur eine gefährliche Illusion ist. Alkohol bringt dich dazu, Risiken
     einzugehen, die du normalerweise nicht eingehen würdest, Alkohol lässt dich dumme Entscheidungen treffen. Und ich weiß besser
     als jeder andere, wie verheerend die Folgen einer einzigen schlechten Entscheidung sein können. Ich lebe jeden Tag damit.
    Ich nehme das Glas, tu aber nur so, als würde ich einen Schluck trinken, und als das Taxi kommt, schütte ich den Rest in die
     Spüle.
    Alice hat den Festsaal oben im Lion Hotel gemietet. Der Saal ist riesig und elegant, mit hohen Holzfenstern und einem herrlichen
     Ausblick auf die Stadt. Es gibt weiße Luftballons, weiße Tischdecken und eine Band. Es gibt Caterer, die Sektgläser polieren,
     und Servierplatten mit teuer aussehenden Häppchen. Und weil es eine geschlossene Gesellschaft ist, verlangt niemand, dass
     wir unsere Ausweise vorzeigen, als Alice für uns beide ein Glas Sekt holt.
    «Das ist ja sagenhaft.» Ich blicke Alice neugierig an. «Haben deine Eltern dir das alles spendiert?»
    «Nein.» Alice schnaubt verächtlich. «Die könnten nicht mal ein Grillfest geben, schon gar nicht so eine Party
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