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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators
Autoren: Massimo Carlotto
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profitiert hat, dann ist die Hölle los, und die Folgen davon bekommen die zu spüren, die im Gefängnis sitzen. Einmal hatte ich über ein Jahr lang warten müssen, bis ich wieder einmal Ausgang bekam, bloß wegen eines Betrügers, der nicht mehr aus seinem Urlaub zurückgekommen war und dem Richter obendrein aus der Schweiz eine Ansichtskarte geschickt hatte. Ich sage euch, ein Jahr ist verdammt lang.
    Dem Richter gegenüber hatte ich mich immer loyal verhalten, eben um willkürliche Repressionen zu vermeiden. Und so hatte es die Mehrzahl der Häftlinge gehalten, die ich kannte. Aber Ausnahmen gibt es immer, und diesmal, wo es um Mord ging, würde es wirklich bösen Ärger geben.
    Und dann, diese Leiche. man mußte etwas unternehmen. Ich entschied mich für einen anonymen Anruf, vorausgesetzt, die Foscarini wollte sich nicht selbst der Sache annehmen. Ich mußte sofort mit ihr sprechen.

    »Hallo, hier ist Marco Buratti.«
    »Buratti … wie spät ist es?«
    »Zwei Uhr nachts. Sie haben gesagt, ich könnte Sie jederzeit anrufen, Frau Anwältin. Ich habe große Neuigkeiten und muß Sie sofort sehen.«
    »Können Sie mir das nicht am Telefon sagen?«
    »Ich glaube, das wäre nicht angebracht.«
    »Ist gut, Sie haben gewonnen. Wann und wo?«
    »In einer Stunde an der Bar der Autobahnraststätte Ausfahrt Padua West. Das ist die einzige, die noch offen hat.« In Jeans und einem rosa Lacoste-Hemd wirkte sie nicht gerade wie eine Anwältin. Sie schien ebenso verärgert wie besorgt, vielleicht verhielt sie sich noch abwartend, wollte erst sehen, ob es angebracht war, mir eine ordentliche Szene zu machen, weil ich sie mitten in der Nacht aus dem Bett geworfen hatte. Ich lud sie ein, mir Gesellschaft zu leisten, während ich meinen Cappuccino austrank und es bereute, das kälteste und zäheste Hörnchen bestellt zu haben, das ich je gegessen hatte. Aber sie sagte, sie warte lieber draußen auf mich. Ein paar Minuten später ging ich zu ihr hinaus, ärgerlich, weil ich die klimatisierte Bar verlassen mußte. Trotz der fortgeschrittenen Stunde hatte die Schwüle nicht nachgelassen, und der Schwall feuchtwarmer Luft, der mir beim Hinausgehen entgegenschlug, war fast unerträglich.
    »Also?« fuhr sie mich an.
    »Ihr Mandant hat es wieder getan.«
    »Buratti, Sie werden mich doch nicht mitten in der Nacht aufgeweckt und hierher bestellt haben, einzig, um mir mit verklausulierten Sätzen Eindruck zu machen, will ich hoffen. Drücken Sie sich etwas deutlicher aus: Was hat er wieder getan?«
    »Nun, er hat einer anderen Hausbesitzerin eine hübsche Anzahl Messerstiche versetzt. Vielleicht interessiert es Sie ja zu wissen, daß es sich diesmal um eine Lehrerin handelt.« Ich zog die noch gerahmte Fotografie des Opfers aus der Tasche meiner Leinenjacke und gab sie ihr. »Sie hieß Piera Belli und hatte scheinbar ein Verhältnis mit Magagnin. Ich verfolgte eine Spur, um Ihren Mandanten ausfindig zu machen, aber auf dem Weg dorthin bin ich auf ganz anderes gestoßen: eine mindestens zwei Tage alte Leiche. Finden Sie das nicht komisch?« Sie sah mich ungläubig an. »Sie wollen doch nicht behaupten, er sei es gewesen, nicht wahr? Nein, das kann ich nicht glauben. Das war nicht Alberto.«
    »Denken Sie von mir aus, was Sie wollen. Er war es nicht, na klar … Jesus Christus ist erfroren, Gandhi hat Selbstmord verübt, und, lassen Sie mal sehen, Pinelli …«
    »Buratti«, zischte sie, und sah mir in die Augen, »geh zum Teufel!«
    »Aber machen Sie doch die Augen auf, Frau Anwältin«, stieß ich aufgebracht hervor. »76 wird Magagnin verurteilt, weil er eine Frau mit einer netten Anzahl Messerstichen ermordet hat. Er kommt aus dem Gefängnis, lernt eine reifere Dame kennen, ziemlich betucht, er geht mit ihr … folgen Sie mir?« Sie nickte, äußerst angespannt. »Gut. Er verschwindet, und gleichzeitig wird die Frau auf eine Art und Weise umgebracht, die, sieh einer an, identisch ist wie beim ersten Mord. Was sind das, alles Zufälle?«
    »Ich bitte Sie, Buratti. Sie kennen Alberto nicht. Er ist drogenabhängig, ein Nichtsnutz, aber ein Mörder ist er nicht. Das kann ich Ihnen versichern.«
    »Hören Sie mir gut zu, Frau Anwältin. Wir haben uns vielleicht nicht verstanden: Überzeugen müssen Sie nicht mich, sondern ein Schwurgericht. Ich gehe jede Wette mit Ihnen ein, daß, sobald die Leiche entdeckt wird, Haftbefehl erlassen wird, und.« Ich merkte, daß sie mir nicht mehr zuhörte. Sie sah das Foto an und war wie versteinert, die
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