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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators
Autoren: Massimo Carlotto
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Baldan in Unterhosen: »He, du bist doch der Alligator.«
    »Aber er ist nicht allein«, ergänzte Benjamino, der schon in die Rolle des Bösen geschlüpft war. Er trat auf ihn zu, wobei er ihm unverwandt in die Augen schaute. Schließlich legte er seine Stirn gegen die von Baldan, und auf diese Weise, ohne die Hände zu benützen, schob er ihn rückwärts zurück in seine Wohnung. Direkt zur Sache, wie immer. Der Dealer versuchte das verlorene Terrain wiederzugewinnen. »Alligator, was will der hier?«, während der andere ihn mit einem leichten Stoß vor die Brust in einen Sessel schubste. »He, was zum Teufel willst du?«
    »Ach, Baldan, achte gar nicht auf ihn. Er ist bloß ein verrückter Mailänder, der alle Drogenhändler haßt. Weißt du, seine Tochter ist letztes Jahr an einer Überdosis gestorben.«
    »Und was habe ich damit zu tun? Mein Stoff ist nur beste Qualität.«
    »Das ist ihm völlig egal, Bepi. Er haßt Dealer im allgemeinen.«
    »Also, was wollt ihr?«
    »Du stehst aber heute auf der Leitung, was? Wir wollen Nachrichten von Alberto Magagnin. Und sei ja nicht zu sparsam mit den Worten.«
    Der Dealer sah Benjamino an. »Marietto hat gesungen, stimmt’s?«
    »Nein«, log ich, »er war’s nicht.«
    »Alligator, weißt du überhaupt, mit wem du dich da anlegst?«
    »Ich weiß, wer du bist, Bepi. Du handelst mit türkischem Heroin, das dir die Veroneser beschaffen. Wenn du Probleme mit den Neapolitanern hast – die das thailändische Heroin vertreiben –, dann wendest du dich an einen Bullen deines Vertrauens, denn du bist auch ein mieser Kerl und verpfeifst die Konkurrenz. Zwei Fliegen mit einer Klappe: Du dealst, riskierst dabei aber nichts, weil du den Spitzel machst. Wie du siehst, bin ich über alles bestens informiert, aber ich werde so tun, als interessierte mich das gar nicht. Ich will nur wissen, wo Magagnin ist. Du wirst es mir sagen, nicht wahr?« Er war verschüchtert, machte den Mund aber immer noch nicht auf. Gleichzeitig warf er verstohlene Blicke ringsumher. Insbesondere versuchte er die Bewegungen Benjaminos zu verfolgen, irritiert von der Hand hinter seinem Rücken. Ich entfernte mich, um eine Zigarette zu holen: das vereinbarte Zeichen, daß ich meinem Partner das Feld überließ. Man hörte einen heftigen Knall. Baldan stieß einen Schrei aus. Ich drehte mich um, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, daß er sich am Boden wälzte und mit der Hand das linke Ohr zu schützen versuchte – zu spät. Hinter ihm Rossini. In den Händen hielt er einen kräftigen Ochsenziemer.
    Ich spielte den Guten und beugte mich zu dem Dealer hinunter. »Siehst du, du hast ihn wütend gemacht. Ich hatte dir gesagt, daß er verrückt ist und alle Dealer haßt. Sag mir, wo Magagnin versteckt ist, und wir ziehen ab.« Heulend vor Wut und Schmerz, nickte er mehrmals. Ich half ihm, sich aufzurichten, und er fing an zu reden. Eigentlich war er gar kein wirklich harter Kerl.
    Ich hatte richtig getippt: Magagnin war nur Gelegenheitskunde, er kreuzte auf, um etwas Stoff zu kaufen, und dann verschwand er wieder für eine Weile. Montag abend war er dann völlig unerwartet plötzlich vor ihm gestanden, sichtlich verwirrt, aber mit einer hübschen Summe Bargeld. Er wiederholte unentwegt, daß er mit dem Knast fertig sei. Er wollte Stoff und einen sicheren Ort, wo er ein paar Tage bleiben könnte. Er hatte ihm beides beschafft: ungefähr dreißig Tütchen Heroin – verschnitten selbstverständlich – und ein Haus auf dem Land, das Freunden gehörte, die für ein paar Monate verreist waren; er hatte ihn selbst dorthin gebracht. Das alles für bescheidene acht Millionen. In bar. Er hatte gedacht, das Geld stamme aus einem Raubüberfall oder einem Diebstahl und sei folglich das eigentliche Motiv für die Flucht.
    Es war Zeit zu gehen. Ich war befriedigt und erleichtert bei dem Gedanken, daß Baldan noch nichts von dem Mord wußte. Ich erreichte die Tür, überzeugt, daß Benjamino mir folgen würde. Verdammt! Wieder ein Knall, der Ochsenziemer noch mal in Aktion.
    Rasch kehrte ich zurück. Baldan, mit gebrochener Nase, versuchte das Blut zu stoppen, das ihm den Hals hinunterfloß. Ich packte Benjamino bei einem Arm und stieß ihn vorwärts, zwang ihn, vor mir herzugehen, bis wir auf der Straße waren.
    »Du hättest ihn nicht so zuzurichten brauchen«, zischte ich wütend. »Er hatte schon geredet. Jetzt muß er Erklärungen abgeben, und das einzige, was wir nun wirklich nicht brauchen können, ist, daß jemand
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