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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators
Autoren: Massimo Carlotto
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geben wollte.
    Ich verließ das Zimmer und setzte meinen Erkundungsgang fort. Im Rest des Hauses fand ich nichts Interessantes mehr, nur weitere zehn Zimmer und einen großen Keller.
    Ich rauchte zwei Zigaretten, ließ meinen Blick über die Felder schweifen, und dachte über die gegenwärtige Lage nach. Es war der 29. Juni, 12 Uhr 20, und die Nachricht von der Auffindung der Leiche der Belli mußte sich inzwischen in der Stadt herumgesprochen haben. Man mußte schnell handeln, damit Frau Foscarini ihren Mandanten treffen konnte, bevor er des Mordes angeklagt würde, auch wenn das Geld, das ich gefunden hatte, ihn in jedermanns Augen belastete. Die künftigen Schachzüge unseres Freundes Baldan wollten ebenfalls bedacht sein. Um diese Zeit mußte auch er von dem Mord erfahren haben, und war der Name Magagnin einmal gefallen, so war nicht auszuschließen, daß er früher oder später Lust bekommen würde, jemandem den Ort zu nennen, an dem sich dieser versteckt hielt; und dem Ganzen womöglich noch eins draufzusetzen, indem er meinen Namen erwähnte. Aber ich verwarf die Idee wieder. Er hatte bestimmt keine Lust, Fragen zu einem Mord zu beantworten, das würde nur den Geschäften schaden.
    Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, zwinkerte Benjamino mir zu: »Der Herr ist wieder unter uns«, sagte er mit befriedigter Miene.
    »Hervorragende Arbeit. Früher oder später wirst du mir mal verraten müssen, wie du das anstellst, mein Freund, sie so schnell wieder fit zu machen.« Ich ging nah an ihn heran und flüsterte ihm ins Ohr, was ich gefunden hatte. Ich betrachtete Magagnin. Ein großer Junge mit traurigen Augen und einem unsympathischen Gesicht. Wenn ich an den Ärger dachte, den die anderen Häftlinge seinetwegen bekommen würden, hätte ich ihm am liebsten eine geschmiert. Ich packte mir einen Stuhl und setzte mich vor ihm hin. »Der Name Piera Belli sagt dir nichts?«
    »Sie ist tot«, antwortete er mit tonloser Stimme. »Sicher. Du hast sie umgebracht.«
    »Ich bin’s nicht gewesen.« Seine Art zu reden, ohne jeden Gefühlsausdruck, machte mich rasend. »Du weißt, daß du ins Firmament aller bescheuerten Kriminellen eingehen wirst? Ich glaube, du bist der einzige auf dieser Welt, der einen Geschworenen aus einem Schwurgericht – aus dem eigenen Schwurgericht – abmurkst. Und, wohlgemerkt, nach demselben Muster wie bei dem Delikt, wofür du dich vor diesem Gericht verantworten mußtest und bei dem du beharrlich jede Schuld abgestritten hast. Wahrhaftig ein Genie, keine Frage.«
    »Ich bin’s nicht gewesen.«
    »Ach ja, ich hab ganz vergessen, das Wichtigste ist natürlich, zu leugnen. Immer und unter allen Umständen. Typisch Prolo.«
    »Ich bin’s nicht gewesen.«
    »Ich hab verstanden«, fuhr ich ihn an. »Im übrigen ist das nicht meine Sache. Meine Aufgabe ist lediglich, dich mit der Foscarini zusammenzubringen.«
    »Ich bin’s nicht gewesen.«
    »Was soll das, willst du mich verarschen?« Meine Lust, handgreiflich zu werden, nahm deutlich zu. Benjamino hielt mich zurück. »Laß ihn reden.«
    »Warum?« fragte ich unwirsch.
    »Was, warum, Marco. Das weißt du selbst, das ist die Regel. Du hast ihm eine Schandtat vorgeworfen, und jetzt hat er das Recht, sich zu verteidigen.«
    »Benjamino, misch du dich da nicht auch noch ein. Paß auf, wir sind nicht im Knast.«
    »Drin oder draußen, die Spielregeln sind immer dieselben. Ich weiß, daß du sie nicht magst, weder unsere, noch die der ›Regulären‹. Aber so tust du dem Jungen Unrecht.« Er hatte recht. Mehr noch: Ich hätte nicht einmal den Mund aufmachen dürfen. Ich war angeheuert worden, einzig und allein, um ihn ausfindig zu machen. Schon durch meine Herumschnüffelei im Haus der Toten hatte ich mich zu weit vorgewagt. »Sprich!« forderte Rossini ihn in väterlichem Ton auf.
    »Gestern, nein, vorgestern … Scheiße, ich erinnere mich nicht mehr. Irgendwie kommt mir alles so komisch vor. Ich kam um sieben aus der Kooperative, und Piera war nicht da, um mich wie üblich abzuholen. Ich hab nicht lang überlegt und bin zu ihr nach Hause. Die Tür war angelehnt, ich bin rein – ich Idiot! – und bin durchs Haus, hab nach ihr gerufen. Dann dieser Körper, am Boden ausgestreckt, mit Kissen bedeckt. Ich wollte nicht näher hingehen, hab’s aber doch getan. Ich hab ein Kissen abgenommen und ihr Gesicht erkannt. all das Blut. wie damals. ›Es ist ein Fluchc, hab ich gedacht, ›noch eine tote Frau, die ich nicht ermordet habe.‹ Ich hab den Kopf
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