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Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)
Autoren: Ror Wolf
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Schlamm bedeckt, hatte ich kurze Zeit später vergessen: Die Fabriken, den Schlamm und das Wasser, alles vergessen, das Wasser, auf dem die Lastkähne dahinglitten, an den Fabriken vorbei, hinter denen gerade die Sonne blutig hinabsank, in eine andere Gegend hinein. Die Farbe der Sonne war übrigens unglaublich und auch die Leichtigkeit, mit der die Sonne verschwand. Zieht man noch in Betracht, daß das alles in einem einzigen Augenblick geschah, dann ist es das beste, auch diesen einzigen Augenblick zu vergessen. Ich möchte nur noch bemerken, daß dieser Augenblick zu den schönsten Augenblicken meines Lebens gehörte.

12



N atürlich hätte ich bei diesem Augenblick bleiben können, bei diesem weichen Herabsinken, bei diesen vollkommen zusammengeflossenen, an den Rändern schon abgegriffenen Bildern. Oder ich hätte bei den folgenden Bildern bleiben können, den Bildern von Felspartien, von Felsstücken, die herabsplittern und in ganz geringer Entfernung von mir auf die Straße fallen. Die Aussicht war hübsch, aber über die Aussicht will ich nichts sagen. Ungefähr zwei Stunden später drang ich in Porto ein und verließ Porto wieder, ohne Bemerkenswertes erlebt zu haben. Allerdings ist das, was wir unter der Gegend um Porto verstehen, weit entfernt von einer auch nur aus der Ferne vergleichbaren Ähnlichkeit mit anderen Gegenden, durch die ich früher gefahren bin.
    Ich fuhr immer weiter. Ich kam in Gegenden, von denen ich nicht einmal wußte, daß es sie gibt. Und als ich diese Gegenden verließ, wußte ich nicht mehr, daß es sie gegeben hat, und daß ich dort war. Als ich zum Beispiel in Finnland ankam, bemerkte ich, daß ich nicht in Finnland war, sondern in Schweden, oder nicht einmal in Schweden, sondern in Dänemark, aber auch das war nur eine Vermutung, in Wirklichkeit befand ich mich, wie sich später herausstellte, in einem Gebiet, das von den genannten Ländern sehr weit entfernt war.
    Ich atmete ein und war in Chicago, und als ich ausatmete, war ich schon wieder woanders. Ich befand mich am Rande der Landkarte, weit entfernt von den nächsten Bahnhofsstationen oder von den rauschenden Straßen. Ich konnte damals fast alles ertragen, ich konnte nur den Gedanken nicht ertragen, daß ich allein war, diese Geräuschlosigkeit konnte ich nicht ertragen, oder die Kälte, die Hitze, die zusammenpressende Kälte der Nächte, oder die plötzlich aufschwellende Hitze der Tage, die Unbequemlichkeit konnte ich nicht ertragen, die starre Unfreundlichkeit dieser Tage, die kratzende Dürre und die Baumlosigkeit.
    Dann ereignete sich etwas, nördlich von Kansas City, das mich verwunderte. Es fiel Wäsche vom Himmel herab, naß, auf die Köpfe der vorübergehenden Personen, auch auf mich. Weiter geschah nichts, nur mein Körper schwankte ein wenig. Es war eine lange Nacht. Zuweilen richtete ich mich auf und schaute in die wachsende Finsternis hinein. In meiner Nähe bemerkte ich eine menschliche Gestalt. Ich möchte noch hinzufügen, nein, ich möchte nichts mehr hinzufügen.

    Am nächsten Tag, ich befand mich in Oklahoma, nördlich von Tulsa, sah ich, daß es tote Vögel regnete, sie fielen tot vom Himmel herab auf den Tisch und neben den Tisch, in die Gärten und auf die Hausdächer. Der Mond, ich glaube es war der Mond, der Mond schob sich kalt und rasch am Fenster vorbei. In diesem Moment schrie eine Frau in die Nacht hinein. Der Mond war verschwunden und eine Frau schrie in die Schwärze der Nacht hinein.
    Wir sollten uns keine Sorgen machen, sagte ein vorübergehender Mann. Ausgerechnet in diesem Moment stand ich da und hatte keinen Bleistift zur Hand, um seine Worte zu notieren. Wir sollten uns keine Sorgen machen, sagte er, und ich konnte es nicht aufschreiben. Ich konnte nicht aufschreiben, was dieser Mann sagte. Aber das war nur der Anfang von etwas anderem und gehört in das nächste Kapitel.

13



N otieren Sie alles, sagte ein vorübergehender Mann, die stärksten Genüsse, die beweglichsten Empfindungen, die Gerüche, die Gefühle, notieren Sie alles, machen Sie es sich zur Gewohnheit, alles aufzuschreiben was passiert, auch wenn Sie der Ansicht sind, daß nichts passiert. – Notieren sie beispielsweise dieses Geräusch. Dieses Geräusch hat etwas Absonderliches. Hören Sie dieses Geräusch?
    – Ich höre nichts.
    – Hören Sie nichts Absonderliches ?
    – Nein, ich höre überhaupt nichts.
    – Ich könnte wetten, daß ich etwas Absonderliches höre. Sie hören nichts ?
    – Ich höre
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