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Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)
Autoren: Ror Wolf
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einfache Gehen geeignet war, noch dazu in der mondlosen Nacht.
    Ich hatte damals die Absicht, das Gebirge zu besuchen. Ich hatte Buchs eines Tages verlassen und tauchte in Goms auf. Nach allem freilich, was wir inzwischen wissen, ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß der Ort, in dem ich mich nun befand, Goms war, auch nicht Obergoms war, sondern etwas ganz anderes war, etwas, dessen Namen ich vergessen habe. Ich behaupte einfach von diesem Moment an, daß ich in Gletsch war und niemand wird mir das ausreden können. Ich war also gekommen, um die Schönheit von Gletsch zu bewundern und kein Mensch wird daran zweifeln. Allerdings fand ich die Schönheit von Gletsch unbedeutend im Vergleich zu der Schönheit, die ich erwartet hatte. Die heftigen Regenfälle hatten einen Teil des Ortes fortgespült. Meine Ungeduld wuchs. Ich beschloß deshalb, Gletsch nach einem kleinen Imbiß rasch zu verlassen. Ich glitt wie gewöhnlich hinab, über die dicken Erdschichten hinweg, stürzte unglücklich, flog eine Zeit durch die Luft, kam aber ohne Beschädigungen davon. Das Durchwaten von Flüssen und anderen kleinen Gewässern erwähne ich nicht. Ich erwähne auch nicht die zahlreichen felsigen Berge, die ich zu übersteigen hatte. Von den verbrannten Waldstücken, den verkohlten Kartoffeläckern, noch dampfend, aber nur schwach dampfend, rede ich nicht. Und niemand wird behaupten können, daß ich von den Menschen rede, die ich getroffen habe, die wortlos an mir vorübergingen, hutlos, in diesen Verhältnissen, die ich nicht beschreiben werde, die ich zwar im Moment nicht schlecht fand, aber aufs Ganze gesehen eben doch schlecht und bedrückend fand. Den behaarten kleinen Ort Lax, einen Ausgangspunkt für unzählige Spaziergänge, fand ich in einem bemerkenswerten Zustand, aber dazu bemerke ich nichts.

    Um meine Lage zu verschlechtern, überraschte mich ein heftiger Sturm, der die Bäume über die Straße bog. Der Sturm ging vorüber. Ich brauche also nicht weiter über den Sturm zu schreiben. Ich hätte freilich auch bei einer Fortsetzung des Sturmes kein Wort mehr darüber verloren. Es erforderte damals meine ganze Geschicklichkeit, den Wagen, den ich mir mittlerweile gekauft hatte, auf der Straße zu halten. Der schlechte Weg, der dichte Wald, die finstere Nacht, das klappernde Blech, das Geräusch der Scheibenwischer, das alles war längst vergessen, als ich St. Gallen erreichte. Dort stürzte ich mich tief in den Alkohol. Ich trank eine ganze Nacht und noch eine Nacht. Ich schrie auf den Straßen und Plätzen und kämpfte mit den vorübergehenden Fußgängern, die mich gar nicht beachteten. Damals stand, glaube ich, meine ganze Zukunft auf dem Spiel. Noch wußte ich allerdings, wer ich war. Und ich wußte auch, wo ich war, also in welcher Ecke der Welt ich mich befand. Und ich wußte auch, daß ein Mensch wie ich mit seinen eigenen Beinen überall hinkommen konnte, wenn er nur wollte.

11



M eine Ankunft am Dienstag gehörte zu den außerordentlichen Ereignissen des Frühjahrs. Meine Äußerungen wurden ausführlich beklatscht. Vielleicht sagte ich damals: Es ist dunkler hier, als es aussieht. Ich stieg eine Treppe hinauf und fühlte, wie etwas in dieser Dunkelheit zusammenzuckte, ein Körper, und als ich den Körper berührte, fühlte ich eine große Weichheit und eine schwere leckende Zunge. Im gleichen Moment wurde das Haus von einer starken Bewegung erschüttert. Der Schnee fiel, und schon lag etwas auf mir, schwer, weiß und kalt.
    Beim Hineintreten in den Hausflur kam mir ein guter Einfall, aber bevor ich ihn in die Tat umsetzen konnte, war mir der Einfall entfallen. Das macht nichts, sagte Frau Q, kommen Sie einen Moment mit hinauf zu mir. Ja, sagte ich, das ist ein guter Anfang. Wir begannen, die Treppe hinaufzusteigen, und während wir hinaufstiegen und redeten, während wir diese Treppe hinaufstiegen, fiel mir auf, daß wir schon lange an einer anderen Stelle waren und gar nicht mehr redeten.



Warum reden Sie nicht? fragte Frau Q, die einen Pelzmantel trug und glänzende Lackstiefel. Und wirklich, jetzt hörte ich es auch, tatsächlich, ich redete nicht. Ich sah eine Fahrstuhlkabine nach oben schweben mit einer bekleideten Dame. Ich sah nur diese bekleidete Dame und die Hand eines Mannes, während ich mit Frau Q die Treppe hinaufstieg. Ich glaube, sie redete. Sie sagte etwas, aber ich kann mich auch täuschen.
    Die dunklen dampfenden Fabriken, an denen ich am Mittwoch vorbeikam, vom Wasser bespült und vom
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