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Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)
Autoren: Ror Wolf
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nicht das Geringste.
    – Nichts Gefährliches ? nichts Außerordentliches ?
    – Nichts.
    – Dann müssen Sie sich täuschen, ich höre etwas.
    Es wurde dunkler in diesem kleinen Zimmer. Doktor Q, mit dem ich damals zusammensaß, beugte sich vor. Er beugte sich immer dann vor, wenn er seine Stimmung änderte. Und da er seine Stimmung fortwährend änderte, beugte er sich fortwährend vor. Hören Sie das? fragte Q.
    – Ich habe eine Art Knistern gehört. War es das, was Sie meinen ?
    – Ja das war es, was ich meine, ein Knistern, eine Art Knistern, hören Sie das ?
    – Ja ich höre ein Knistern.
    – Irgendwo, finde ich, hört man auch ein kurzes trockenes Geräusch. Sehn Sie mal nach, ob etwas Ungewöhnliches passiert ist. Ein kurzes trockenes Geräusch.
    Ich hörte dann ein Geräusch wie Fingerknacken. Dann hörte ich ein Geräusch, das ein Tier verursacht, wenn es über das Dach läuft. Ich hörte ein Herumgehen über meinem Kopf, ein Kratzen oder ein Schaben, eine Art raschelndes Knistern. Manchmal hörte ich auch ein keuchendes Vorwärtsschieben eines offenbar weichen Körpers über mir. Ich hörte das Rauschen aufgescheuchter Vögel und viele andere Geräusche, für die ich im Moment keine Worte finde. Ich hörte dann ein Geräusch wie das Meer, wie das Waschen des Meeres. Die nächste Zeit verging dann mit Ohrensausen, Klavierspiel und nächtlichen Schreien aus der Ferne. Danach war ich verwundert über die riesige Ruhe.
    Plötzlich, am nächsten Morgen, als ich mich beim Anknipsen der Lampe in einem Spiegel sah, war ich entsetzt über meine Erscheinung. Um meine Niedergeschlagenheit noch zu vergrößern, sprang ich direkt auf einen anderen Spiegel zu, in dem ich noch fürchterlicher, noch entsetzlicher aussah als vorher. Von hier an nutzte ich jede Gelegenheit, in den Spiegel zu sehen, ich sah, wie ich hutlos gebeugt auf mich zukam, mit einem Mantel, mit einem vom schweren Regen durchnäßten Mantel.

    Ich hoffte einen leidlich unerschrockenen Eindruck zu machen, als ich mich erhob, tatsächlich sah ich im Spiegel, daß ich lächelte. – Ich will gar nicht besonders betonen, daß ich mich wunderte, als ich mich lächeln sah. Eine Weile sah ich mich dann nicht mehr im Spiegel. Ich sah nichts mehr von mir, kein Stück. Und dann doch: als ich die rechte Hand ausstreckte, sah ich ein Stück meiner rechten Hand. Die Bewegungen, die ich sah, hätten mir sicherlich Freude gemacht, wenn ich darüber nachgedacht hätte. – Was hatte ich da in der Hand ? Ein Hut war es nicht, es war sogar etwas gänzlich anderes, als ein Hut. Es war nichts Wichtiges, keine bedeutende Angelegenheit, so daß ich mir die Beschreibung ersparen kann.
    Am nächsten Tag kamen bleiche Haare herausgekrochen aus meinem Gesicht. Ich beobachtete die nahezu unbemerkte Entwicklung eines Bartes. Als ich an einem Spiegel vorbeikam, sah ich mich bärtig finster dahingehen. – Wer ist das? fragte ich. Das bin ich, antwortete ich. Etwas scharrte und kratzte in diesem Moment, etwas knirschte und knackte.
    Schreiben Sie alles auf, sagte Q, notieren Sie alles, auch dieses Scharren und Kratzen, dieses Knirschen und Knacken. –
    Ich hatte inzwischen vergessen, wie ich aussah, und da ich in keinen Spiegel sah, vergaß ich es immer mehr. Und als ich am Schluß des Kapitels an einem Spiegel vorbeiging, wußte ich nicht mehr, ob ich das war, der dort vorbei- und hinausging. Diese Angelegenheit war beendet. Von mir war nichts mehr zu sehen. Auch im Spiegel nicht.

14



D er Gang der Handlung führt uns jetzt in den Norden. Dort hat der Winter begonnen. Ich saß am Bahnhofsbüffet, ich aß eine Suppe und überlegte, was ich gestern gegessen hatte. Ich weiß es nicht mehr, ich glaube, ich habe Suppe gegessen. Vorgestern habe ich ebenfalls Suppe gegessen. Und jetzt, was esse ich jetzt: Suppe. Jetzt esse ich Suppe. Ich notierte das alles, ich schrieb alles auf, ich saß am Bahnhofsbüffet, schrieb ich und plötzlich, in diese Löffelbewegung hinein, in dieses Schlucken hinein, in dieses Klappern hinein traf mich ein kühler Luftzug im Gesicht. Es war der Atem der Wirtin, die sich über mich beugte und mir einen guten Abend wünschte. Ich notierte auch das.
    Q, der neben mir saß, sprach von einer Dame, die plötzlich wie ein Gewölbe über ihm hing. Sie haben ganz nackte Hände, habe er damals gesagt, und einen Hut tragen Sie auch nicht auf Ihrem nackten Kopf, und wie ich sehe, ist auch Ihr Hals nackt, Ihre ganze Erscheinung macht den Eindruck von
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