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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady
Autoren: Margery Sharp
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Shetlandponys,
so wie seine Frau ausschließlich an die Erziehungsgrundsätze von Girton, des
einzigen für Susan in Frage kommenden College, dachte.
    „Das Kind bleibt natürlich hier“, gab
Henry Packett seine Meinung ab.
    „Wenn Julia es über sich bringen kann,
sich von Susan zu trennen“, warf seine Frau etwas taktvoller ein,
    Julia fühlte, sie konnte es. Diese
neunzehn Monate, in denen sie die junge Mrs. Packett gewesen war, hatten ihren
Vorrat an mütterlicher Zärtlichkeit erschöpft. Außerdem war sie sich darüber
klar, daß das Leben in Barton für ein kleines Mädchen viel passender war als
das Leben, das sie selbst in der Stadt führen würde. Sie hatte noch keine
endgültigen Pläne, aber sie hoffte und vertraute darauf, daß es jedenfalls
höchst unpassend sein würde.
    „Ja — wenn sie euch nicht zu viel Mühe
macht“, sagte Julia.
    „Mühe?“ rief Mrs. Packett herzlich. „Ist
hier nicht ihr Zuhause? Ebenso wie das deine, meine Liebe, wann immer du Lust
hast, herzukommen.“
    Daraufhin ging alles reibungslos vor
sich. Die alten Packetts bedauerten Julias Entschluß, sie waren betrübt, aber
sie waren unveränderlich gut zu ihr. Ihr Patriotismus hatte es Julia nicht
erlaubt, ihre Pension zu beziehen. Sie hatte in Barton wie eine Tochter gelebt
und auch das Nadelgeld einer solchen erhalten, und das wurde jetzt auf
dreihundert Pfund im Jahr erhöht. Julia meinte zwar in einer Art
Selbstbewußtsein, es sei zu viel, aber die Packetts blieben eisern. Dieses Geld
kam ihr zu, und sie mußte es nehmen; und sie würde in Barton immer eine Heimat
finden.
     
    *
     
    Im nächsten Jahr kam sie fünfmal zu
Besuch. Im Jahr darauf kam sie zum Geburtstag ihrer Tochter, blieb aber die
Nacht über nicht da. An den folgenden Geburtstagen schrieb sie nur. Aber als
Susan neun Jahre alt war, hatte Julia eine plötzliche Anwandlung von Mütterlichkeit
und lud das Kind für eine Woche zu sich ein, um ihr die Sehenswürdigkeiten der
Stadt zu zeigen. Die Gelegenheit war günstig, denn Mr. Macdermot, dessen
Wohnung Julia damals teilte, war an das Krankenlager seiner Frau nach Mentone
gerufen worden; aber Susan kam nicht. Statt dessen erhielt Julia als Antwort
auf ihre Einladung einen Gegenvorschlag von einiger Bedeutung.
    Die Packetts hätten die Absicht,
schrieben sie, die völlige Verantwortung für das Kind zu übernehmen und Susan
später zu ihrer Erbin zu machen, wenn Julia ihrerseits auf alle legalen
Ansprüche verzichten würde. Falls sie einwillige, würde sie Susan
selbstverständlich nach wie vor jederzeit in Barton, oder wo immer die
Großeltern es für gut hielten, sehen können. Aber sie könne das Kind nicht ohne
Erlaubnis allein zu sich nehmen. Diese letzte Pille wurde von Mrs. Packett
durch eine herzliche Einladung versüßt, sofort zu ihnen zu kommen und einen
Monat in Barton zu verbringen.
    Julia ließ sich beide Vorschläge
gründlich durch den Kopf gehen, nahm den ersten an und lehnte den zweiten ab.
Sie war zu froh, die Zukunft ihrer Tochter auf eine so vollkommene und
angenehme Weise sichergestellt zu wissen, aber sie wollte keine
Entsagungsszene. Überdies war sie gerade sehr beschäftigt, da sie sich an der
Gründung einer neuen Gastspieltruppe, die von einem ihrer Theaterfreunde
geleitet wurde, beteiligt hatte und diese auf eine nahezu damenhaft überlegene
Art als Mäzen begönnerte. Sie würde so bald wie möglich kommen, antwortete sie
den Packetts, aber nicht jetzt.
    Zwei Monate später hörte sie wieder von
ihnen. Nach dieser schicklichen Pause boten sie ihr statt der bisherigen
Jahresrente die runde Summe von siebentausend Pfund in Staatspapieren an. Diese
überraschende Großzügigkeit deutete Julia, ohne sich gekränkt zu fühlen, als
den Wunsch, sich ihrer endgültig zu entledigen; aber sie hatte nur zum Teil
damit recht. Mrs. Packett wollte dadurch auch ihr Gewissen beruhigen. „Mit
etwas eigenem Kapital hinter sich“, sagte Mrs. Packett (die noch sehr freimütige
altmodische Ansichten hatte), „wird es ihr leichter fallen, sich wieder zu
verheiraten.“
    Julia heiratete nicht, sondern ging
unter die Unternehmer. Sie finanzierte innerhalb von sechs Monaten zwei
Theaterstücke, und als das zweite abgesetzt wurde, waren von den siebentausend
Pfund noch genau neunzehn Pfund und sechs Schillinge übrig.
     
    *
     
    Mr. Macdermots Tod ließ daher Julia in
einer äußerst heiklen Lage zurück. Sie war einunddreißig, zu alt und auch zu
dick, um es wieder als Girl in einer Operette zu
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