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Die Voegel

Die Voegel

Titel: Die Voegel
Autoren: Daphne Du Maurier
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Tür.
    Gegen halb sechs schlug er vor, Frühstück zu machen, Speck und Toast. Sei es auch nur, um die wachsende Angst, die in den Augen seiner Frau stand, zu dämpfen und die verstörten Kinder zu beruhigen.
    Sie hatte nichts von den Vögeln oben gemerkt. Glücklicherweise lagen die Schlafzimmer nicht über der Küche. Sonst hätte man zweifellos die Geräusche dort oben gehört, das Schlagen gegen die Dielen und das selbstmörderische, sinnlose Aufklatschen dieser wahnwitzigen Vögel, die in die Schlafkammer flogen und ihre Köpfe an den Wänden zerschellten. Er kannte sie gut, diese Silbermöwen. Sie hatten nicht viel Verstand. Aber die Mantelmöwen waren anders, sie wussten, was sie taten. Und ebenso die Bussarde, die Habichte ...

    Er ertappte sich dabei, wie er auf die Uhr starrte und gespannt beobachtete, wie der Zeiger auf dem Zifferblatt weiterkroch. Wenn seine Annahme nicht stimmte, wenn der Angriff mit eintretender Ebbe nicht aussetzte, dann war es um sie geschehen, das wusste er. Sie konnten nicht einen langen Tag durchhalten, ohne Schlaf, ohne neue Lebensmittel, ohne frische Luft, ohne ... Seine Gedanken überstürzten sich. Er wusste wohl, dass man vieler Dinge bedurfte, um eine Belagerung zu überstehen. Sie waren nicht hinreichend versorgt, nicht richtig vorbereitet. Vielleicht war man alles in allem doch sicherer in den Städten. Wenn es ihm gelänge, um Hilfe zu bitten. Vom Hof aus seinen Vetter anzurufen. Er wohnte nicht weit, nur eine kurze Zugreise. Vielleicht könnte er ein Auto mieten.
    Es würde noch schneller gehen, ein Auto, solange Ebbe war ...
    Die Stimme seiner Frau, die ihn rief, vertrieb das plötzliche unwiderstehliche Bedürfnis nach Schlaf.

    »Was ist los? Was ist denn jetzt?«, fragte er erregt.
    »Das Radio«, sagte seine Frau, »ich hab nach der Uhr gesehen, es ist gleich sieben.«
    »Dreh doch nicht am Knopf«, sagte er, zum ersten Mal unwirsch. »Es ist ja unser Sender. Der bringt die Nachrichten.«
    Sie warteten. Die Küchenuhr schlug sieben. Kein Laut. Kein Sendezeichen.
    Keine Musik. Sie warteten bis ein Viertel nach sieben. Stellten dann einen anderen Sender ein. Dasselbe Ergebnis. Auch hier keine Nachrichten.
    »Wir haben uns wohl verhört«, sagte er, »die Sendung beginnt sicher erst um acht.«
    Sie ließen das Radio angestellt. Nat dachte an die Batterie, überlegte, wie lange sie noch reichen würde. Sie ließen sie immer auffüllen, wenn seine Frau zum Einkaufen in die Stadt fuhr. Wenn die Batterie leer war, würden sie ohne weitere Anweisungen für Sicherheitsmaßnahmen hier sitzen.

    »Es wird schon hell«, flüsterte seine Frau, »Man kann es hier nicht sehen, aber ich spüre es. Und die Vögel hämmern auch nicht mehr so laut.«
    Sie hatte Recht. Das Scharren und Kratzen wurde mit jedem Augenblick schwächer. Das Schubsen und Drängen auf den Stufen und den Simsen erstarb allmählich. Die Ebbe setzte also ein. Um acht Uhr herrschte völlige Stille. Nur das Pfeifen des Windes war zu hören. Die Kinder schliefen, eingelullt durch die Stille.
    Um halb neun stellte Nat das Radio ab.

    »Was tust du denn? Wir werden die Nachrichten verpassen«, rief seine Frau.
    »Es gibt keine Nachrichten mehr,« erklärte Nat, »wir sind jetzt auf uns selbst angewiesen.« Er ging zur Tür und schob vorsichtig die Verbarrikadierung beiseite, dann zog er den Riegel zurück, stieß die toten Vögel, die vor der Tür lagen, von den Stufen und atmete tief die kalte Luft ein. Er hatte sechs Stunden für die Arbeit vor sich, und er wusste, dass er seine Kräfte für das Wichtigste sparen, dass er damit haushalten musste. Lebensmittel, Licht und Brennmaterial, das waren die nötigsten Dinge. Falls er ausreichende Mengen davon bekommen konnte, bestand Hoffnung, wieder eine Nacht zu überdauern.
    Er schritt durch den Garten, und nun sah er die lebenden Vögel. Die Möwen hatten sich davongemacht, um wie zuvor auf den Wellen zu schaukeln. Sie suchten wohl im Meer nach Futter und gingen erst mit Rückkehr der Flut erneut zum Angriff vor. Anders die Landvögel. Sie warteten, beobachteten. Nat sah sie überall hocken, in den Hecken, auf den Ackern, dicht gedrängt in den Bäumen und draußen, auf den Feldern, Reihe auf Reihe, untätig. Sie rührten sich nicht, ließen ihn aber nicht aus den Augen. Er ging bis zum Ende des Gärtchens.
    »Ich muss Lebensmittel haben«, murmelte er vor sich hin, »ich muss zum Hof gehen und Lebensmittel holen.«

    Er kehrte ins Häuschen zurück. Besichtigte Fenster
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