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Die Voegel

Die Voegel

Titel: Die Voegel
Autoren: Daphne Du Maurier
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würde es Stunden, ja vielleicht Tage dauern, bevor die Türen unter ihren Schnäbeln und Krallen nachgaben. Die Vögel wären dann in den Schlafzimmern gefangen. Dort konnten sie kein Unheil anrichten. In Scharen zusammengepresst, würden sie allmählich ersticken und sterben.
    Er begann die Matratzen hinunterzutragen. Furcht weitete die Augen seiner Frau bei diesem nblick; sie glaubte, die Vögel seien oben schon eingedrungen.
    »Heut Nacht schlafen wir alle zusammen in der Küche«, erklärte er mit gespielter Fröhlichkeit. »Hier am Feuer ist es am gemütlichsten. Und hier werden uns die dummen Vögel mit ihrem Gepoche auch nicht stören.«
    Er ermunterte die Kinder, beim Umstellen der Möbel mit anzufassen.
    Vorsichtshalber schob er den Küchenschrank mit Hilfe seiner Frau vor das Fenster.
    Er passte genau dorthin. Es war eine zusätzliche Sicherung. Dort, wo der Schrank gestanden hatte, konnten jetzt die Matratzen, eine neben der anderen, ausgebreitet werden.
    Jetzt sind wir wirklich in Sicherheit, dachte er, verbarrikadiert und abgeschlossen wie in einem Luftschutzbunker. Wir können aushalten. Nur die Lebensmittel machen mir Sorgen. Das Essen und auch die Kohlen für den Herd.
    Für zwei oder drei Tage reicht es vielleicht, aber nicht länger. Dann wird wohl ...
    Doch darüber brauchte man sich noch nicht den Kopf zu zerbrechen. Bis dahin gab das Radio sicher neue Anweisungen durch. Sie werden den Leuten schon sagen, was sie zu tun haben.
    Trotz all seiner sorgenvollen Gedanken merkte er plötzlich, dass nur Tanzmusik gesendet wurde. Kein Kinderfunk, wie das Programm angab. Er warf einen Blick auf die Skala. Ja, er hatte den richtigen Sender eingestellt. Tanzplatten.
    Er drehte weiter, bekam einen anderen Sender: dasselbe Programm. Er wusste den Grund. Das reguläre Programm war unterbrochen worden. Das geschah nur bei außergewöhnlichen Ereignissen. Wahlen und Ähnlichem. Er versuchte sich zu erinnern, ob es auch im Krieg vorgekommen war, während der schweren Angriffe auf London. Richtig, die BBC war während des Krieges nicht in London stationiert gewesen. Das Programm war provisorisch von anderen Orten aus gesendet worden. Hier draußen sind wir besser dran, dachte er, hier sind wir sicherer als die Leute in den Städten. Hier in unserer Küche, mit verrammelten Fenstern und Türen. Gott sei Dank, dass wir nicht in der Stadt wohnen.
    Um sechs Uhr hörte die Plattenmusik auf. Das Zeitzeichen ertönte. Ganz gleich, ob es die Kinder ängstigte, er musste die Nachrichten hören. Nach dem Zeitzeichen kam eine Pause. Dann sprach der Ansager. Seine Stimme klang feierlich, ernst. Ganz anders als am Mittag.
    »Hier spricht London«, sagte er. »Heute Nachmittag um vier Uhr ist der nationale Notstand erklärt worden. Um die Sicherheit von Leben und Eigentum der Bevölkerung zu gewährleisten, sind geeignete Maßnahmen ergriffen worden. Da die gegenwärtige Krise nicht vorauszusehen war und in der Geschichte des Landes ohne Beispiel ist, muss leider damit gerechnet werden, dass diese Maßnahmen nicht sofort und in vollem Umfang Abhilfe schaffen können. Jeder Hauseigentümer ist verpflichtet, Sicherungsvorkehrungen für die eigenen Gebäude zu treffen. In Mietshäusern, wo mehrere Familien zusammenwohnen, müssen diese gemeinsam alle Kräfte aufbieten, um ein Eindringen zu verhüten. Es ist unbedingt erforderlich, dass heute Nacht jedermann zu Hause bleibt. Niemand darf sich auf Straßen, Fahrwegen, offenen Plätzen, Höfen oder sonst außerhalb von Gebäuden aufhalten. Die Vögel greifen in riesiger Zahl jeden an, den sie erblicken. Hier und da haben bereits Angriffe auf Häuser stattgefunden. Sofern jedoch alle die nötige Vorsicht walten lassen, dürften Gebäude hinreichend Schutz bieten. Die Bevölkerung wird aufgefordert, Ruhe und Besonnenheit zu bewahren. In Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände, die diesen Notstand bedingt haben, ist von keiner Sendestation vor morgen früh um sieben Uhr mit einer neuen Bekanntgabe zu rechnen.«

    Sie spielten die Nationalhymne. Weiter geschah nichts. Nat schaltete den Apparat ab. Er sah seine Frau an; sie starrte zu ihm hinüber.
    »Was bedeutet das?«, fragte Jill. »Was haben sie eben in den Nachrichten gesagt?«
    »Es ist Schluss für heute mit dem Programm«, sagte Nat. »Eine Störung.«
    »Durch die Vögel?«, fragte Jill. »Sind die Vögel schuld daran?«
    »Nein«, sagte Nat, »aber alle haben jetzt eine Menge zu tun, denn natürlich wollen sie die Vögel
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