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Die Voegel

Die Voegel

Titel: Die Voegel
Autoren: Daphne Du Maurier
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gerade noch Platz für Jill, wenn sie hinten auf die Petroleumkanister kletterte.
    »Danke, ich brauche keine Flinte«, entgegnete Nat, »aber ich wäre sehr froh, wenn Sie Jill nach Hause brächten. Sie fürchtet sich vor den Vögeln.«
    Er wollte vor Jill nicht so viel von der Sache reden.
    »Mach ich«, erklärte der Bauer, »ich fahr sie heim. Aber bleiben Sie doch hier und machen Sie unsere Schießerei mit. Wir werden die Federn schon tanzen lassen.«
    Jill kletterte hinein, der Bauer wendete das Auto und brauste den Pfad entlang.
    Nat folgte. Trigg musste toll sein. Was konnte denn eine Flinte gegen einen ganzen Himmel voller Vögel ausrichten? Jetzt, da ihm die Sorge um Jill abgenommen war, nahm er sich Zeit, umherzuschauen. Noch immer kreisten die Vögel über den Feldern. Fast ausschließlich Silbermöwen, aber auch Mantelmöwen waren darunter. Sonst pflegten sie sich gesondert zu halten, jetzt flogen sie zusammen, wie durch ein Band vereint. Die Mantelmöwen griffen oft kleinere Vögel an, ja selbst neugeborene Lämmer, behauptete man. Er hatte es zwar nie mit eigenen Augen gesehen, aber er musste daran denken, als er sie über sich am Himmel sah.
    Die Möwen schienen sich dem Gehöft zu nähern. Jetzt zogen sie ihre Kreise niedriger, die Mantelmöwen an der Spitze. Ja, das Gehöft war ihr Ziel, dorthin steuerten sie.
    Nat beschleunigte seine Schritte. Jetzt sah er das Auto des Bauern wenden und den Heckenpfad entlangfahren. Mit einem Ruck hielt der Wagen neben ihm.

    »Die Kleine ist hineingelaufen«, sagte der Bauer. »Ihre Frau hatte sie schon erwartet. Na, was halten Sie von dem Ganzen? Man munkelt ja, die Russen seien schuld daran, sie hätten die Vögel vergiftet.«
    »Wie sollte denn das möglich sein?«, fragte Nat.
    »Fragen Sie mich nicht. Man weiß ja, wie solch Gerede aufkommt. Nun, wollen Sie nicht doch bei der Schießerei mitmachen?«
    »Nein, ich gehe nach Hause. Meine Frau sorgt sich sonst.«
    »Meine Alte sagt, wenn man Möwen wenigstens essen könnte, hätte die Geschichte ja noch einen Sinn. Dann könnten wir Möwen kochen, braten und sie obendrein noch sauer einlegen. Warten Sie mal ab, bis ich den Biestern ein paar Ladungen verabreicht habe. Das wird sie schon abschrecken.«
    »Haben Sie Ihre Fenster vernagelt?«, fragte Nat.

    »Ach wo, alles Blödsinn. Die im Radio bauschen immer alles auf. Ich hab heut weiß Gott anderes zu tun gehabt, als herumzulaufen und die Fenster zu vernageln.«
    »Ich an Ihrer Stelle würde sie noch mit Brettern abdichten.«
    »Dummes Zeug! – Aber wenn Sie bange sind, übernachten Sie doch bei uns.«
    »Nein, vielen Dank.«
    »Gut, wir sehen uns also morgen. Dann lad ich Sie zum Möwenfrühstück ein.«
    Der Bauer grinste und bog mit dem Auto ins Hoftor ein. Nat eilte weiter, vorbei am Wäldchen, vorbei an der alten Scheune und dann über den Zauntritt, um den letzten Acker zu überqueren.
    Als er über den Zauntritt sprang, hörte er das Geschwirr von Flügeln. Eine Mantelmöwe schoss aus der Höhe auf ihn herab. Sie verfehlte ihn, wendete im Fluge und stieg empor, um erneut niederzustoßen. Sofort schlossen sich ihr andere an, sechs, sieben, ein Dutzend, Mantelmöwen und Silbermöwen durcheinander.
    Nat ließ die Hacke fallen. Eine Hacke war jetzt nutzlos. Die Arme über den Kopf haltend, rannte er auf das Häuschen zu. Unablässig stießen sie auf ihn herab, ohne einen Laut, stumm, nur das Rauschen von Flügeln war zu hören. Diese entsetzlichen flatternden Schwingen. Er spürte, wie ihm das Blut über die Hände, die Gelenke, den Nacken rann. Jeder Hieb ihrer erbarmungslosen Schnäbel zerriss ihm das Fleisch. Wenn er nur seine Augen vor ihnen schützen konnte. Alles andere war unwichtig. Er musste seine Augen schützen!
    Noch hatten sie nicht gelernt, sich in die Schultern zu krallen, die Kleider zu zerfetzen, in Massen herabzustoßen, auf den Schädel, auf den Leib zu. Doch mit jedem Niederstoßen, mit jedem Angriff wurden sie kühner. Und sie nahmen keine Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Wenn sie ihn im Herabschießen verfehlten, klatschten sie zerschmettert zu Boden.

    Nat hastete und stolperte vorwärts, im Laufen stieß er immer wieder an die am Boden liegenden Vogelleichen. Schließlich erreichte er das Häuschen; mit blutenden Händen hämmerte er gegen die Tür. Durch die vernagelten Fenster drang kein Lichtschein. Alles dunkel.
    »Mach auf«, schrie er, »ich bin's Nat. Aufmachen!«
    Er rief laut, um das Flügelrauschen zu übertönen.
    Da
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