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Die Verwandlung

Die Verwandlung

Titel: Die Verwandlung
Autoren: J. M. Sampson
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Ich war daran gewöhnt, und es gab auch nichts, was ich darauf hätte erwidern können.
    Wir schwiegen, als Tracie in ihrer schroffen Art zu sprechen begann. Ihre hübschen Gesichtszüge legten sich dabei in Falten, und ihre perfekten schwarzen Locken wippten im Einklang mit ihrem düsteren Nicken. Ich überlegte, ob ich Megan sagen sollte, dass ich tatsächlich keines der Mädchen an unserer Schule hasste. Einige von ihnen hatten zwar Megan das Leben zur Hölle gemacht, aber mir hatten sie nie wirklich etwas getan. Und überhaupt– auch wenn Megans Motto nicht gerade » vergeben und vergessen « lautete, war ich der Meinung, dass durch den Weggang von Sarah Plainsworth ein Schlussstrich gezogen worden war. So oder so schien sich niemand mehr groß für uns zu interessieren. Ich überlegte auch, ob ich Megan etwas von dem erzählen sollte, was letzte Nacht geschehen war– von der Kleidung, dem Fenster und alldem. Aber ich konnte ihr nichts davon gestehen. Wenn sie annehmen müsste, dass ich mich in eine dieser Hochglanz-Tussis verwandeln würde, käme das gar nicht gut bei ihr an. Und obwohl sich meine Vorstellung von dem, was man zu diesem Zweck tragen müsste, von den meisten Mädchen eher als » schäbig und verzweifelt « bezeichnet werden würde, glaube ich nicht, dass Megan da einen Unterschied machen würde. Nicht, nachdem sie auf einem Pakt bestanden hatte, der besagte, dass wir nie so würden wie » die « . Abgesehen davon war mein irrsinniger geistiger Fehltritt ein einmaliger Ausrutscher. Oder? Vielleicht hatte es nichts mit Drogen zu tun gehabt, dass die andere Emily ihren Eltern so seltsam erschienen war. Vielleicht ging irgendetwas um, eine Art bewusstseinsverändernde Krankheit. Was sonst würde Emily Cooke dazu veranlassen, sich kilometerweit von zu Hause zu entfernen, barfuß und im Schlafanzug? Und das in derselben Nacht, in der ich beschlossen hatte, als Bordsteinschwalbe kostümiert aus dem Fenster zu springen? Ob es nun daran lag, dass die letzte Nacht so bizarr gewesen war oder an dem Umstand, dass ich mich in einer Schule befand, in der lauter geschockte Menschen den ganzen Tag über wie Zombies herumliefen– ich fühlte mich sonderbar. Es war, als hätte jemand in meinem Inneren einen Schalter umgelegt. Ich fühlte mich wackelig und aus dem Gleichgewicht gebracht, und ganz egal, wie sehr ich mich bemühte, ich konnte dieses undefinierbare Etwas nicht wieder ins Lot bringen.
    Megan stupste mich an, nachdem Tracie ihre Rede beendet hatte und die Schüler auf der Tribüne höflich applaudierten. » Hey, sei nicht so still « , flüsterte sie. » Es reicht schon, dass die andere Emily zum Schweigen gebracht wurde, okay? «
    Ich wollte gerade etwas erwidern, doch bevor ich einen Ton herausbringen konnte, drehte sich ein Mädchen vor uns um und sagte: » Pst! « Beschämt presste ich meine Lippen zusammen, während Megan nur wortlos mit den Augen rollte.
    Wir saßen schweigend nebeneinander, während der Rest der Welt dem düsteren Ende dieser deprimierenden Zusammenkunft mit todesmarschartigen Schritten entgegenstapfte. Dann durften wir endlich nach Hause gehen, wo ich mich hinter einem Buch verschanzen und alles über tote Teenager und seltsame Stimmungsschwankungen vergessen konnte. Ebenso vergessen wie das seltsame Gefühl, dass seit letzter Nacht nichts mehr so war wie zuvor, weder in unserer Schule noch in der kleinen Stadt, die ich meine Heimat nannte.

3
    Fetter alter Fleischklops
    Nichts lenkt einen dermaßen von tristen Gedanken an tote Teenager ab wie der Umstand, im Internet als » fett « bezeichnet zu werden. Es geschah am Tag der Versammlung. An diesem Abend kam nichts im Fernsehen, denn wir hatten Anfang September, und die Fernsehstaffeln starteten erst Mitte des Monats. Ich war also in meinem Zimmer. Fünf Stunden zuvor war ich von dieser grauenhaft deprimierenden Schule zurückgekommen. Auf der Heimfahrt hatte ich neben Megan gesessen, während die Autoscheiben wegen des sturzbachartigen Regens anliefen und die Welt dort draußen hinter einem grauen Nebelschleier verschwinden ließen. Man konnte meinen, dass sich das Wetter der niedergeschlagenen Stimmung dieses Tages angepasst hatte, aber das stimmte natürlich nicht. Die Gewitterwolken würden bald einem blauen Himmel weichen, bevor sie Stunden später wieder zurückkehrten, begleitet von einem Hagelsturm oder Ähnlichem. Niemandes Stimmung ist derartigen Schwankungen unterworfen, dass diese dem Wetter im Westen des
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