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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition)
Autoren: Stephanie Fey
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mit dem Führerschein. Alles andere heilt wieder, bei dir auch, hat der Arzt gesagt.« Er nahm ihre beiden Hände in seine eine und drückte sie zusammen. Diese Geste kannte sie nur von ihrem Vater, und der machte das auch bloß dann, wenn er ihr etwas Wichtiges erklärte. Zum Beispiel, als er ihr sagte, dass ihr Geburtstagswunsch verspätet geliefert werden würde. Was hatte sie sich eigentlich gewünscht, sie wusste es nicht mehr so genau, irgendwas zum Spielen, nein, neue Möbel, jetzt fiel es ihr ein. War sie überhaupt noch neun oder vielleicht schon zehn? Sie kam sich uralt vor. Ihr Hände schuppten sich, weil sie zu wenig zu trinken gekriegt hatte; Carina hatte ihr das erklärt. Ob sie die Insektenfrau noch mal wiedersah?
    »Bist du stark genug, dass ich dir was sagen kann?« Enni drückte sie fester an sich, drehte sie dann so zu sich, dass er ihr in die Augen sehen konnte. Wieder lösten sich ein paar Tränen und tropften von seinem Kinn.
    »Ist es wegen Dirk und seinem Freund, habt ihr sie umgebracht?«
    »Was? Das glaubst du? Nein, es ist … Unsere … also … «
    Was druckste er herum? »Sag, was habt ihr mit ihnen gemacht?«
    Er seufzte und tupfte sich das Gesicht mit der Bettdecke ab. »Wir sind zu dem Parkplatz am Forstenrieder Park gefahren, den kennst du auch. Da bei dem Jägerstand, wo die Leiter zusammengebrochen ist und Papa uns abseilen musste, weißt du noch?« Seine Lippen zitterten, als er Papa sagte. Fror er? »Komm, leg dich her, wenn du magst.«
    Sie schlüpfte aus den Plastikclogs, die sie ihr gegeben hatten, kletterte aufs Bett und kuschelte sich zu ihm. Natürlich erinnerte sie sich an den Jägerstand. Mama, die Höhenangst hatte und auf so ein Ding nie hinaufgeklettert wäre, war heimgefahren, um das Seil zu holen, aber ewig nicht wiedergekommen, weil sie den Parkplatz nicht mehr fand. Inzwischen hatte Papa aus ihren Jacken und T-Shirts ein Seil geknüpft und sie gerettet. »Und mussten die beiden auch auf den Jägerstand?«
    Enni legte den Arm um sie, wie früher, wenn er sie ins Bett gebracht hatte, ohne Vorlesen, dafür mit Musikhören, ein Kopfhörer für zwei. »Nein, den gibt’s nicht mehr, ist nur noch ein Bretterhaufen im Gras. Wir sind ausgestiegen und haben auf den Kofferraum gehauen und dabei laut überlegt, was wir mit den beiden anstellen sollen. Alex hat mich gefragt, ob ich so was schon mal gemacht habe. Mit einer Katze, habe ich gesagt, aber ich habe nicht richtig getroffen.«
    »Was war mit der Katze?« Flora richtete sich auf und blickte ihn an.
    »Nichts, so was würd ich doch nie tun. Du kannst dich wieder herlegen. Das war alles nur Show, damit die beiden richtig Angst kriegten. Ich hab also behauptet, dass ich nicht richtig getroffen hätte bei der Katze, und Alex meinte, dass wir es bei den beiden trotzdem noch mal versuchen sollten. Ich habe dann eine Plastiktüte aufgeblasen und zerplatzen lassen. Das klingt total echt.«
    Flora nickte. Das Geräusch steckte auch ihr noch in den Ohren, vielleicht würde sie das nie wieder dort rauskriegen. Richard hatte sich nämlich in echt erschossen, als Carina mit ihr davonlief. Ob Enni wusste, dass ihr Onkel tot war? Aber der redete weiter von Dirk und dem anderen.
    »Tja, und dann haben wir den Kofferraum aufschnappen lassen, nur einen Spalt, uns hinter den Bäumen versteckt und gewartet.«
    »Auf was?«
    »Na, dass sie endlich abhauen. Aber es hat ewig gedauert. Und Alex hat einen Mega-Anschiss gekriegt, weil der Kofferraum so gestunken hat. Die beiden haben sich die Hosen bis zum Anschlag vollgeschissen.« Für einen Moment blitzte ein Grinsen in seinem Gesicht auf, dann, als er sich zu ihr drehte, verfinsterte sich seine Miene wieder. »Flora, Mama und Papa sind tot.«
    »Ich weiß. Das war Richard mit seiner Knalltüte, die keine war. Er wollte, dass Anja meine neue Mama ist.«
    Enrico drückte sie ganz fest an sich, in Dunkelgrünzickzackhelllila. »Wir haben jetzt nur noch uns.«
    »Und die Gautingoma.«
    »Und die Gautingoma. Du und ich, wir beide.«

72.
    Zellingen, 1994
    Nur noch wenige Augenblicke. Der Mond verschwand hinter dichten Wolken, als hätte er Feierabend, nachdem er ihr zu Diensten gewesen war. Wind blies ihr Regen ins Gesicht und kühlte ihre Wangen. Wie ein Halt suchender Arm ragte die halb fertige Brücke zum Mainufer hinüber. Es war nicht leicht gewesen, eine passende Baustelle zu finden. Intensiv hatte sie die Zeitungen durchforstet, bis sie endlich auf diesen Neubau gestoßen war.
    Ein
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