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Die Versteckte Stadt: Thriller

Die Versteckte Stadt: Thriller

Titel: Die Versteckte Stadt: Thriller
Autoren: Jonas Winner
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letzten Jahren war ihr Bruder, den sie über alles liebte, immer eigenbrötlerischer und grüblerischer geworden. Sie konnte regelrecht spüren, wie er unter Tills Einfluss aufblühte, wie er die Gegenwart des zurückhaltenden, besonnenen Jungen genoss und wie er zugleich darin schwelgte, mit Till jemanden gefunden zu haben, dem er sich ganz anvertrauen konnte. So war aus dem verschlossenen, schwierigen Max der letzten Jahre binnen weniger Tage wieder der fröhliche, ausgelassene Junge geworden, der er auch früher gewesen war - früher, zu einer Zeit an die Lisa sich nur noch vage erinnerte, in jedem Fall aber zu einer Zeit, als ihr Vater und Max noch nicht beinahe täglich aneinander geraten waren.
    Lisa konnte sich nicht genau entsinnen, wann Max begonnen hatte, sich in sich zurückzuziehen. Was sie jedoch wusste, war, dass ihr Vater ihm, je mehr Max abgeblockt hatte, umso unerbittlicher zugesetzt hatte. Davon, ihrem Vater deshalb einen wenn auch nur stillschweigenden Vorwurf zu machen, war Lisa jedoch weit entfernt. Viel zu fasziniert war sie schon immer von ihrem Vater gewesen, dessen große, dunkle Gestalt für sie der Inbegriff des Mächtigen und des Geheimnisvollen war, der aber auch etwas Bedrohliches hatte. Ein Geschöpf, das zu kontrollieren ihre Kräfte bei weitem überstiegen hätte, das zu beherrschen ihr zugleich jedoch diffus wie ein Ziel vorschwebte, mit dem sie sich auseinandersetzen wollte, wenn sie ein wenig älter sein würde. Nicht nur körperlich älter, sondern auch weitsichtiger im Kopf, wenn ihre Gedanken sich nicht mehr so schnell verheddern, ihre Ideen nicht so schnell überschlagen und ihr Mut so schnell sinken würde.
    Lisa richtete sich im Bett auf und lauschte. Stundenlang, so schien es ihr, hatte sie Max und Till nach dem Abendessen vor ihrer Tür noch hin und her rennen hören, bis die Mutter schließlich von unten heraufgerufen hatte, dass jetzt endgültig Schlafenszeit sei und sie den Vater holen würde, wenn nicht umgehend Ruhe einkehrte. Obwohl alle wussten, dass ihre Mutter das kaum tun würde, da der Vater im Gartenhaus arbeitete, bestand doch immerhin die Möglichkeit, dass sie ernst machte. Das aber würde heißen, dass der Vater, von der Arbeit gestört, mit einer Laune aufkreuzen würde, die nichts Gutes verhieß. So hatte sich Max denn auch tatsächlich von der Drohung der Mutter einschüchtern lassen und es war langsam Ruhe in dem Flügel des Hauses eingekehrt, in dem sich die vier Schlafzimmer der Kinder befanden. Das von Lisa, das von Max, das neue von Till, und das große, in dem die beiden kleinen Schwestern schon seit fast zwei Stunden schlummerten.
    Lisa griff nach der Fernbedienung, die auf ihrem Nachttisch lag und mit der sie die kleine Stereoanlage auf ihrer Kommode steuern konnte. Sie stoppte die Musik, die noch leise gespielt hatte, schwang sich aus ihrem Bett und schlich vorsichtig zur Tür. Als sie sie öffnete, lag die Diele ruhig und dunkel vor ihr. Alle Zimmertüren, die davon abgingen, waren geschlossen.
    Lisa trat in die Diele hinaus, schloss die Tür hinter sich und ging lautlos auf das Zimmer zu, das dem Ihrigen direkt gegenüber lag. Vor der Tür blieb sie stehen und lauschte erneut. Aus dem Zimmer drang kein Laut nach draußen. Sollte sie klopfen? Aber dann entschloss sie sich, die Klinke einfach vorsichtig herunterzudrücken.
    Als Lisa das Zimmer betrat, sah sie Till im Dunkeln aufrecht in seinem Bett sitzen. Sie blieb an der Tür stehen.
    „Schläfst du schon?“ Blöde Frage, dachte sie.
    „Nein.“ Er beugte sich vor und knipste die Lampe auf seinem Nachttisch an. Ein weiches Licht breitete sich in dem Zimmer aus. Till trug einen der gestreiften Schlafanzüge von Max und Lisa konnte ihm deutlich ansehen, dass er mit ihrem Besuch nicht gerechnet hatte.
    „Darf ich mich kurz setzen?“
    Till zögerte. „Deine Mutter klang ziemlich sauer … “
    Da machte sich Lisa nicht ganz so viele Sorgen. Wenn die Mutter Max etwas androhte, dann galt das noch lange nicht für sie. Und schon gar nicht, wenn es darum ging, irgendwann Ruhe zu geben. Ohne weiter um Erlaubnis zu bitten, setzte sie sich auf die Kante von Tills Bett. „Ihr seid ja ziemlich unzertrennlich in letzter Zeit - Max und du.“
    Till musterte sie. Offensichtlich fragte er sich, was sie von ihm wollte.
    „Hmhm.“ Es klang abwartend.
    „Max ist froh, dass du jetzt bei uns bist.“
    Till lächelte etwas hilflos. Es war unverkennbar, dass das Lob ihn in Verlegenheit brachte. „Um das zu
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