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Die verschwundene Lady (German Edition)

Die verschwundene Lady (German Edition)

Titel: Die verschwundene Lady (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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hätte schon sehr früh weggehen müssen, was Anne jedoch nicht recht glaubte. Sie fuhr nach oben, um mit der Putzfrau zu sprechen. In der schick eingerichteten Maisonettewohnung brummte der Staubsauger.
    Die Putzfrau arbeitete schon lange für Annes Mutter. Sie war eine pummelige kleine Person, deren angegraute Haare aussahen wie der Mop, den sie öfter gebrauchte. Als sie Anne sah, schaltete sie den Staubsauger ab. Anne hatte einen Schlüssel für die Wohnung ihrer Mutter, auch für das Landhaus in Essex.
    Momentan lagen die Schlüssel zu Hause bei Anne in der Schublade.
    »Wissen Sie, wann Ihre Mutter zurückkommt, Miss Carmichael ?«, fragte die Putzfrau.
    »Nein.«
    »Merkwürdig. Sonst pflegt sie mir einen Zettel zu hinterlassen, wenn sie nicht da ist. Darauf steht, was ich an dem Tag speziell erledigen soll. Das ist diesmal nicht geschehen.«
    »Sie wird sich schon melden«, sagte Anne beschwichtigend. »Sie wissen ja auch so, was zu tun ist, Mistre ss Richards.«
    »Ja, schon, aber Ihre Frau Mutter hatte jedes Mal ihre besonderen Wünsche. Abgesehen davon pflegte sie mir auch jedes Mal meinen Lohn hinzulegen, wenn sie abwesend war.«
    In dem Fall erhielt Mrs. Richards den Wohnungsschlüssel vom Portier, wo sie ihn auch wieder abgeben musste .
    »Sie wird es vergessen haben«, sagte Anne. »Das Geld gibt sie Ihnen beim nächsten M al. Oder wollen Sie es unbedingt von mir haben?«
    »So habe ich es nicht ge m eint«, beeilte sich die Putzfrau zu versichern.
    Während sie ihre Arbeit fortsetzte, ging Anne durch die Räume. Da war keine Notiz, das Bett unberührt, die Zahnbürste und der Waschlappen trocken. Anne schämte sich ihrer Mutter nachzuspionieren. Doch sie tat es nicht ohne triftigen Grund.
    Die finanziellen Transaktionen von Marion Carmichael waren schon merkwürdig. Die Tochter fragte sich wieder, wie das zusammenhing. Sollte ihre Mutter vielleicht heimlich zu wetten und zu spielen begonnen haben? Doch eine solche Sucht, zusätzlich zu der Liebesaffäre, war unwahrscheinlich.
    In Anne verdichtete sich der Verdacht immer mehr, dass die Abhebung der hohen Beträge etwas mit jenem Lord Henry zu schaffen haben musste . Am Ende hatte ihre Mutter noch ein Haus oder Grundstück gekauft, für sich und den Lord. Andererseits hatte er aber ein Schloss , von dem Mrs. Carmichael erzählt hatte.
    Sie war einmal dort gewesen und restlos begeistert. Den Namen oder die genaue Lage des Schlosses hatte Mrs. Carmichael Anne aber nicht mitgeteilt. Auch das fiel unter die Schweigepflicht, die ihr ihr Lord auferlegt hatte. Die Medizinstudentin wartete zwei Stunden vergebens, dass ihre Mutter zurückkehrte und ihr manches erklärte.
    Die Putzfrau war schon gegangen. Anne dauerte die Warterei schließlich zu lange. Sie legte ihrer Mutter eine Notiz hin, dass sie sie gleich anrufen s ollte, und verließ Wohnung und Haus. Anne hatte sich bei ihrer Mutter eine Mahlzeit zubereitet. Hungrig war sie wenigstens nicht. Draußen dämmerte es bereits wieder, und der Londoner Nebel zog durch die Straßen.
    Annes Absätze klapperten auf den Steinplatten. Die Passanten hasteten vorüber, mit hochgestelltem Mantelkragen, fast alle mit Kopfbedeckungen, als ob es ein Rennen zu gewinnen gälte.
    Anne ging zur U-Bahn-Station Baker Street, dort wo der legendäre Sherlock Holmes gewohnt haben sollte. Mit der S ubway fuhr sie nach St. Pancras hinüber, wo sie noch eine Strecke zu gehen hatte. Der Nebel wallte in Schwaden und legte sich über London wie ein Leichentuch. Anne war froh, als sie endlich im Haus war.
    Auf der Etage oben erwartete sie Miss Haggarty, ihre Vermieterin, und beklagte sich über die neueste Untat des Katers Captain Silver.
    »Er mauzte kläglich in Ihrer Wohnung. Deshalb habe ich ihn zu mir genommen. Und stellen Sie sich vor, das Untier hat meine Standvase umgeworfen, echtes Sevr é s-Porzellan, ein Erbstück, an dem ich sehr hing.«
    »Das bedaure ich aber.«
    Anne zeigte Gelassenheit. Miss Haggarty war schließlich nett. Sie zeigte Anne die Scherben. Viel ließ sich nicht mehr damit anfangen.
    »Sind Sie in einer Haftpflichtversicherung? Ich meine, der Schaden muss ersetzt werden.«
    » Miss Haggarty, Sie haben Captain Silber aus freien Stücken zu sich in die Wohnung geholt.« inzwischen befand sich der Übeltäter wieder bei Anne in der Wohnung. »Ich bin nicht versichert. Wenn Sie eine Versicherung haben, machen Sie dort doch den Schaden geltend. Geben Sie an, Sie hätten die Vase beim Saubermachen aus Versehen
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