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Die verschwundene Lady (German Edition)

Die verschwundene Lady (German Edition)

Titel: Die verschwundene Lady (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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nach Fischöl. Anne fragte sich, was man hier in der Teeküche zubereitet hatte. Der Geruch schien aber keinen zu stören. Eine unglaublich dicke, farbige Vorzimmerdame saß an einem Pult, hämmerte auf einer Uralt-Schreibmaschine herum und kaute Gummi.
    Sie hatte den Kopfhörer eines Diktaphons aufsitzen. Anne musste laut rufen, um sich bemerkbar zu machen. Die Dicke meldete sie über die Sprechanlage an. Sie deutete auf eine Tür, die nun aufgerissen wurde.
    Ein schiefschultriger, kahlköpfiger Mann mit langen roten Koteletten und einer uralten Tweedjacke mit Lederflicken an den Ellbogen erschien. Aus der Tür gegenüber trat ein langes Gestell von Mann mit zerfurchtem dunklem Leichenbestattergesicht. Als er Anne anschaute, verzog plötzlich ein Tic seine linke Gesichtshälfte und zeigte gleich drei Goldzähne.
    »Ich bin Mark Fishbret«, sagte der Kahlköpfige. »Mein Kompagnon Shuster. Treten Sie ein, Miss . Es ist uns ein Vergnügen.«
    Für Anne war es keines. Zwischen der Anwaltskanzlei von Peter Sta n well und dieser hier bestand ein Unterschied, gegen den der von Tag und Nacht noch gering war. Fishbrets Büro war unordentlich und wie vom Sperrmüll eingerichtet. Ein riesiger Safe stand darin. Anne fragte sich, was er wohl enthielt.
    Sie setzte sich auf die vordere Kante des ihr angebotenen Polsterstuhls. So wie der Stuhl aussah, konnte man daran kleben bleiben. Shuster hockte sich auf die Schreibtischkante. Sein Tic setzte alle maximal zehn Sekunden ein. Fishbret legte die Füße auf seinen unordentlichen Schreibtisch.
    »Na, Miss «, fragte er, »in welcher Schwulität stecken wir denn?«
    Der plumpvertrauliche Ton stieß die Medizinstudentin ab.
    »In welcher Sie sind, weiß ich nicht. Da müssten Sie schon selbst überlegen. Wie reden Sie denn mit mir?«
    Die beiden Anwälte tauschten einen Blick.
    »Was führt Sie zu uns ?«, fragte Fishbret dann sachlich und zog sogar die Füße vom Tisch.
    »Ein Geldgeschä f t, das meine Mutter über ein Treuhandkonto bei Ihnen abwickelt. In Höhe von fünfundsiebzigtausend Pfund. Ich möchte wissen, wofür dieser Betrag bestimmt ist und wer ihn erhält.«
    »Haben Sie eine Vollmacht von Ihrer Mutter, dass Sie ermächtigt sind, Auskünfte einzuholen ?«, erkundigte sich der lange Shuster.
    »Nein. Doch ich bin Miterbin des Vermögens.«
    »Erklären Sie das genauer.«
    Das war wieder Fishbret. Anne erläuterte die Sachlage. Der Anwalt Fishbret verbog eine Büroklammer, als ob er jemand den Hals umdrehen wollte.
    »Wir können Ihnen keine Auskunft erteilen«, bemerkte er kalt, als Anne geendet hatte. »Bis zu Ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag ist Ihre Frau Mutter nach dem, was Sie uns sagten, über die Vermögenswerte verfügungsberechtigt. Es sei denn, Sie könnten ihr grobe Verfehlungen oder Geschäftsunfähigkeit nachweisen. Im letzteren Fall müssten Sie sie für unmündig erklären lassen. Haben Sie das vor?«
    »Nein, natürlich nicht.« Was redete dieser schreckliche Mensch da? »Aber ich will Rechenschaft haben. Das steht mir als Miterbin zu.«
    Die zwei Sohoer Winkeladvokaten zuckten synchron die Achseln, als ob sie es einstudiert hätten.
    »Von uns nicht«, sagte Fishbret. »Da müssen Sie entweder Ihre Frau Mutter fragen, oder mit einer Vollmacht herkommen. Als Anwälte unterliegen wir nämlich der Schweigepflicht.«
    »Sie haben sicher schon mehrfach gegen diese Pflicht gewonnen«, antwortete Anne bissig und stand auf. Bei den beiden kam sie nicht weiter. »Sie hören dann wieder von mir. Sollte es sich bei dieser Transaktion um etwas Illegales handeln, werden Sie Schwierigkeiten bekommen. Sie kennen den Anwalt und Notar Stanwell?«
    »Sie meinen den alten Langweiler am Belgrav ia Square«, sagte Fishbret ungerührt. »Ich erinnere mich, dass er anrief. Dem können wir auch nicht mehr sagen. - Habe die Ehre, Miss Carmichael. Ich kann ja verstehen, dass Sie sich ums Erbe sorgen. Trotzdem ist es nicht die feine englische Art, der eigenen Mutter hinterherzuspionieren.«
    Anne kochte förmlich vor Zorn. Mühsam bewahrte sie die Haltung. Es lag ihr auf der Zunge, den beiden Winkeladvokaten ins Gesicht zu schleudern, was sie von ihnen hielt. Doch die Genugtuung, dass sie die Fassung verlor, wollte ihnen Anne nicht gönnen.
    »Ich kann meine Mutter nicht erreichen«, sagte Anne. »Sie ist verschwunden, und ich weiß nicht, wo sie sich aufhält.«
    »Seit wann ist Mistress Carmichael denn fort ?«, fragte Fishbret.
    »Vermutlich seit vorgestern Abend
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