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Die verschwundene Lady (German Edition)

Die verschwundene Lady (German Edition)

Titel: Die verschwundene Lady (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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heruntergestoßen.«
    »Aber das wäre gelogen, Miss Carmichael. Das kann ich nicht. Ihr Kater hat das getan. Ich habe auch sonst schon auf Ihre Bitte hin auf ihn aufgepasst . Die Zerstörung meiner Sevr é s-Vase kann ich nun wirklich nicht hinnehmen. Ich will sie ersetzt haben.«
    Anne seufzte innerlich.
    » Miss Haggarty, bitte, lassen Sie uns ein andermal weiter darüber sprechen. Ich bin jetzt wirklich nicht in der Verfassung. Mir ist übel. Ich habe Kopfschmerzen. «
    »Sie sind unpässlich . Legen Sie sich gleich ins Bett und nehmen Sie eine Wärmflasche. Verschieben wir dieses Thema.«
    Anne war froh, als sie die alte Dame verlassen konnte. Manchmal war Miss Haggarty eine arge Nervensäge. Captain Silver saß in der Wohnung vorm Kühlschrank, als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Anne hatte ihm Katzennahrung und eine Schale Wasser stehengelassen. Beides hatte der Kater verputzt, und bei Miss Haggarty vermutlich auch noch was.
    Weil Anne ihn so lange allein gelassen hatte, strafte er sie mit Nichtachtung. Anne hängte die Regenjacke an die Garderobe, kochte sich Tee, schaute im Kühlschrank nach, was noch zu essen da war, und schlug dann ein Fachbuch über Anatomie auf. Sie konnte sich jedoch nicht konzentrieren.
    Sie wartete ständig auf den Anruf ihrer Mutter. Schließlich musste sie sich bald melden. Als das Telefon klingelte, war Ahne sofort am Apparat.
    »Ja?«
    Es war Peter Stanwell.
    »Good evening, Anne . Hast du deine Mutter erreicht?«
    »Nein, Onkel Peter«, antwortete sie
    und hörte, wie der Mann tief Luft holte.
    »Merkwürdig. Höchst merkwürdig. Ich muss schon sagen. Für eine Vermi ss tenmeldung ist es jedoch noch zu früh. Doch wenn sich deine Mutter nicht bald meldet, Anne, müssen wir uns weitere Schritte überlegen.«
    »Ich werde morgen zu dieser Kanzlei in Soho gehen, die du erwähntest, Onkel Peter. Wie hieß sie noch gleich?«
    »Mayhawr, Fishbret & Shuster.«
    »Mein Gott, was für Namen.«
    Stanwell nannte die Straße. Anne versprach, ihn sofort anzurufen, wenn ihre Mutter sich meldete.
    »Wo bist du denn, Onkel Peter?«
    »Im Klub.«
    Natürlich. In den letzten dreißig Jahren hatte Peter Stanwell da die allermeisten Abende verbracht. Er gehörte schon fast zum Inventar. Anne aß zu Abend, spielte mit Captain Silver, der ihr verziehen hatte, nahm ein Bad und legte sich dann ins Bett. Während der ganzen Zeit wartete sie ständig auf einen Anruf ihrer Mutter.
    Doch es kam keiner.
     
    *
     
     
    Am folgenden Vormittag führ Anne mit der U-Bahn zur Tottenham Court Road am Rand von Soho. Den Rest der Strecke zur Livonid Street ging sie zu Fuß. In Soho gab es fast ausschließlich Altbauten, Vorder-und Hinterhäuser, die mit größtenteils farbigen Bewohnern vollgestopft waren. Jamaikaner, Westinder, alle möglichen Nationen gaben sich hier ein Stelldichein.
    Die Namen der Geschä f te waren vielfach fremdartig, das Angebot oft exotisch. Anne freute sich regelrecht, als sie eine gute, stockenglische Fish-'n'-Chips-Bude an der Straßenecke sah. Die Bewohner von Soho, auch die Kinder, musterten Anne wie eine Fremde.
    Sie hatte Schwierigkeiten, die Livonid Street zu finden. Viele Fassaden - und nicht nur sie - waren schadhaft.
    Ein junger Bursche mit Rastalocken und einer schreiend bunten, verdreckten Jacke, mit engen Röhrenhosen und einer handtellergroßen Gürtelschnalle, versperrte Anne den Weg. Seine Kumpane lauerten bei einem Abbruchhaus herum. Sie pfiffen und riefen Anne derbe Komplimente und Obszönitäten zu.
    Annes Herz hämmerte. Doch weglaufen wäre verkehrt gewesen. Abgesehen davon, dass die Burschen sie einholen konnten, würde die Flucht sie erst recht reizen. Auch im Menschen steckte ein Jagdinstinkt.
    »Wollen Rauschgift ?«, fragte der Jamaikaner Anne in gebrochenem Englisch. »Kommen ins Haus. Feiern Party.«
    Das wäre nun das letzte gewesen, was die Studentin gewollt hätte.
    »Lassen Sie mich in Ruhe«, entgegnete Anne. »Nehmen Sie Ihr Rauschgift selber.«
    Sie wollte an dem Mann vorbeigehen. Doch er hielt sie am Arm fest. Anne schüttelte ihn ab. Sie hatte für den Besuch in Soho schon extra einen Hosenanzug, halbhohe Schuhe und einen leichten Stoffmantel gewählt, um nicht aufreizend zu erscheinen. Doch anscheinend war sie noch immer zu hübsch, oder diese Herumlungerer belästigten jede Frau, die nicht gerade wie die Wetterhexe von den Orkney-Inseln ausschaute.
    Anne schlug dem Rastalockigen auf die Finger, so fest sie konnte. Er schrie wütend auf. Seine
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