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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane
Autoren: Rolf Ackermann
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ägyptisches Nationaleigentum zu betrachten waren. Statt ihr Hab und Gut für geradezu lächerliche Entschädigungssummen dem Staat zu überlassen, schenkten sie Bücher, Bilder und archäologische Funde dem allerorts als fanatischer Sammler bekannten Charles Bahri für wissenschaftliche Arbeiten. Damit avancierte Charles binnen weniger Jahre zum Besitzer eines Schatzes, den ihm die ägyptische Regierung und gierige Kunsthändler schon bald abspenstig machen sollten. Mit allen Mitteln.
    Während unter ihm Hurghada aus seinem Blickfeld verschwand, erinnerte sich Peter wehmütig an die ersten Zusammentreffen mit Charles. Es war der Beginn einer Freundschaft zweier Männer, die zwei Dinge gemein hatten: die Liebe zu Afrika und die Leidenschaft für alte Bücher und alte Landkarten. Peter begeisterte sich für diese Dinge seit Beginn des Studiums. Längst hatte er sein Fachwissen so vertieft, dass er über das Internet mit seltenen Karten und Büchern handelte und dabei schon so manch gutes Geschäft gemacht hatte. Erst vor wenigen Monaten war es ihm gelungen, einem Sammler zwei Hemisphärenkarten von Henricus Hondius aus dem 17. Jahrhundert zu vermitteln. Pro Blatt der handkolorierten Kupferdrucke hatte der Sammler aus Kanada 2000 Euro gezahlt, womit Peter nach Abzug aller Kosten einen Gewinn von mehr als 1500 Euro gemacht hatte. Mit den Erlösen solcher Vermittlungsgeschäfte und seinem Verdienst bei der Firma für Navigationssysteme finanzierte er seine Reisen nach Afrika. Denn das war seine andere große Leidenschaft: die Wüsten Afrikas!
    Alle zwei Jahre brach er mit seinem Landrover von München aus auf zu Off-Road-Touren durch die Sahara. Er liebte die Wüste, war sehr oft in der Sahara in Südmarokko, Tunesien und in Libyen gewesen. Zwei Mal war er auf der Tamanraset-Route durch Algerien nach Niger und Mali gefahren. Er liebte die Weite unberührter Landschaften Nordafrikas, suchte das Abenteuer, die Herausforderung, liebte Unbekanntes und tastete sich mit jeder Tour an seine eigenen wie auch an die technischen Grenzen seines Geländewagens heran. In der Wüste durfte und konnte er sein, wer er war – oder sein wollte.
    Ansonsten waren der alte Mann in Kairo und er so verschieden, wie zwei Menschen nur sein konnten. Der eine war fast 80 Jahre alt, Peter hingegen hätte mit seinen 45 Jahren sein Enkel sein können; der Alte war strenggläubig, ein nicht unkritischer, aber letztendlich überzeugter Christ, während er selbst der institutionellen Kirche gegenüber sehr skeptisch eingestellt war. Er war ungeduldig, wissbegierig und sehr pragmatisch veranlagt, während Charles meinte, er hetze nicht mehr der Zeit und anderen vergänglichen Dingen hinterher.
    Im Laufe der Jahre entwickelte sich zwischen ihnen eine tiefe Verbundenheit. Sie schrieben sich Briefe, tauschten ihr Wissen über alte Bücher und Landkarten aus, gaben sich Tipps, schafften es allerdings nur selten, sich zu treffen. Und wenn, dann meistens in Kairo, in Charles’ Ferienhaus am Roten Meer, wo der Alte ihm bei einem Glas Wein einmal offenbart hatte: »Weißt du, mein Sohn, wenn ich noch ein wenig jünger wäre, würde ich dir eine sehr ungewöhnliche Sahararoute zeigen. Eine, auf der schon seit Jahrhunderten niemand mehr Afrika durchquert hat. Du wärst der Richtige für diese außergewöhnliche Reise! Es wäre eine Expedition, die der Wahrheit sehr dienlich wäre. Ich weiß allerdings auch, dass es Menschen gibt, die diese Wahrheit nicht sonderlich mögen würden. Wahrheiten brauchen ihre Zeit. Aber nicht jede Zeit ist gut für Wahrheiten.«
    Was der alte Mann damals damit gemeint hatte, begann Peter allmählich zu ahnen. Charles hütete offensichtlich ein Geheimnis. Die mysteriösen Textseiten sowie die Landkarte ließen darauf schließen, dass er ein Buch besaß, das aus irgendwelchen Gründen so brisant war, dass der Alte sogar fliehen musste. Scheinbar wurde er von sehr habgierigen und extrem rücksichtslosen Menschen verfolgt. Kriminelle, die auch bereit waren, zu töten. Peter fragte sich, woher diese Leute gewusst hatten, dass er zum Haus am Roten Meer fahren würde. War sein letztes Telefonat kurz vor dem Abflug nach Hurghada abgehört worden?
    Er schaute auf die Uhr. Nach dem Umsteigen in Kairo würde es noch dreieinhalb Stunden bis nach München dauern. Yvonne, seine Freundin, würde ihn am Flughafen abholen. Zusammen mit ihr würde er dann hoffentlich eine Stunde später gleich weiterfliegen. Und mit etwas Glück würde er den alten
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