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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane
Autoren: Rolf Ackermann
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Kopf gestellt. Bei der Landkarte und dem sagenhaften Brief hatte er eine Sensation gewittert. Und beinahe wäre er auch noch umgebracht worden! Der Mann, der ihm die Pistole an die Schläfe gepresst hatte, war fraglos hinter genau diesen Dokumenten her gewesen. Wäre die alte Fatima nicht zufälligerweise vorbeigekommen, wer weiß, ob der Araber ihn nicht erschossen und die Unterlagen geraubt hätte. Ein Zufall hatte ihm das Leben gerettet. Schließlich hatte ihm die Putzfrau eine Nachricht seines Freundes überreicht. Der alte Mann hatte eine nur schwer zu entziffernde Handschrift. Aber es war seine Handschrift. Peter kannte sie von den vielen Notizzetteln und Randnotizen, die er während der zurückliegenden Jahre immer wieder in den Büchern im Haus seines Freundes in Kairo gefunden hatte. Dass der Alte immer nur in Französisch schrieb, erschwerte ihm das Entziffern.
    Erneut überflog Peter die krakelige Schrift: »Mein Freund, ich musste leider überstürzt abreisen, wollte mich nicht der Gefahr aussetzen, auf dich zu warten. Warnen konnte ich dich leider auch nicht. Fatima wird dir diese Nachricht geben. Die Welt des Bösen hat wieder einmal Einzug in mein Leben gehalten. Der Allmächtige hat mir die kaum zu ertragende Bürde auferlegt, Dinge zu sehen, die andere nicht sehen können oder wollen, und Dinge zu verstehen, die andere nicht verstehen können – oder dürfen. Alles ist plötzlich anders. Nichts hat mehr Bestand! Das Gute wandelt sich zum Bösen, aus oben wird unten, aus Süden wird Norden und aus Osten Westen. Und eins steht fest: Der maurische Bruder hat es schon damals gewusst! Auch die Geschichte mit Johannes wusste er! Mein verehrter Freund, ich brauche deine Hilfe. Dringend! Du findest mich bei Francois, du weißt schon, der Mann, der einst aus der Wüste kam! Den Weg dorthin wird dir mein Freund vor der Tür des Heiligen aus Montpellier beschreiben. Du erinnerst dich: jener, der hört, was andere sehen. Er weiß, wo ich mich aufhalte. Ihm kannst du trauen. Frage ihn nach dem Libretto einer Oper von Jakob Meyer. Aber sei vorsichtig! Die Gier der Gläubigen nach Macht und der Ungläubigen Habgier haben einst schon die Getreuen des IDA und der gottesfürchtigen Eleni ins Verderben geführt. Die gleiche Gier und dieselben Lügen haben nun mein Leben erfasst.«
    Peter dachte angestrengt nach. Was war mit IDA gemeint? Und wer verbarg sich hinter der gottesfürchtigen Eleni? Beide Namen hatte er noch nie gehört. So wenig Sinn diese kryptischen Formulierungen ergaben, so sicher war er sich zumindest, wo er den alten Mann finden würde. Es gab nur einen Ort, der infrage kam.
    Das Flugzeug änderte seine Flugrichtung und glitt in einer langen Linkskurve dem Mond entgegen. Vorsichtig kramte Peter aus seiner Aktentasche nochmals das Fax hervor, das er vor drei Tagen erhalten hatte. Sein Interesse galt der handschriftlichen Nachbildung der seltsamen Landkarte, auf der unter geografischen Aspekten nichts zu stimmen schien. Drei Tage hatte er gebraucht, um wenigstens zu erahnen, welcher Tricks sich der Verfasser der Karte bedient hatte, um den Betrachter in die Irre zu führen. Aus welchen Gründen auch immer. Viele Details der Karte, die aus einem alten Buch stammen musste, ließen einerseits den Schluss zu, dass sie zwischen dem 14. und dem 15. Jahrhundert entstanden war.
    Andererseits waren darauf aber auch Ortsnamen in Lateinisch sowie Fluss- und Landschaftsnamen in Portugiesisch eingetragen, die überhaupt nicht dem geografischen Wissen dieser beiden Jahrhunderte entsprachen. Was ihn noch mehr irritierte: Da waren geografische Termini vermerkt, die aus einer Kombination ägyptischer Hieroglyphen mit einer ihm völlig fremden Schrift zu bestehen schienen. Im Westen der Karte stand »Meer der Finsternis« geschrieben. Von einem solchen Meer hatte er noch nie gehört. Alles an dieser Karte war widersprüchlich. Mit viel Fantasie ließ sich erahnen, dass da der afrikanische Kontinent grob skizziert worden war, allerdings auf dem Kopf stehend. Zwischen den Kontinenten waren Landmassen umrissen, die es nicht wirklich gab. Hätte er in seinem Geografiestudium nicht gelernt, dass sich die Kartografie über Jahrtausende mit dem sich wandelnden Erdbild der Menschheit permanent verändert hatte, er wäre zu dem Schluss gekommen, diese Karte sei ein Fantasieprodukt.
    Peter starrte aus dem Flugzeugfenster. Unter ihm tauchte im Mondlicht ein mattsilberner Streifen auf. Der Nil! Fluss aller Flüsse, heilige und
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