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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane
Autoren: Rolf Ackermann
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Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten.
    Und der Heilige Vater in Rom erst! »Mord im Kloster – Geistig verwirrter Mönch verschwunden – Ehemaliger Franziskanermönch erhängt an der Statue des heiligen Franz von Assisi gefunden«, so würden die Schlagzeilen in den Zeitungen lauten. Und die Carabinieri würden auf der Suche nach dem Mörder sicherlich auch Dinge wissen wollen, die sie eigentlich nichts angingen. Dinge, die schon lange zurücklagen und von denen im Orden nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde. Um den toten Charles rankten sich nämlich sehr mysteriöse Gerüchte. Der Einzige, der Einzelheiten wusste, war Bruder Elias. Und der war auf einmal verschwunden. Zu allem Überfluss lag diese Leiche im heiligsten Refugium, nur wenige Schritte entfernt von den Kammern der sechs hier lebenden Mönche. Vor vielen Jahren hatte Charles zu ihrer Gemeinschaft gehört, erst bei den Franziskanern in der Stadt, dann hier auf der Insel, in diesem Kloster. Damals hatte er Bruder Leo geheißen. Einige Leute sagten, er sei ein sehr kluger, wissbegieriger Mann gewesen. Aber auch ein Haderer und Zweifler, dem es an Respekt gegenüber dem Heiligen Vater in Rom gemangelt habe. Wie ein Besessener hatte er sich angeblich mit Dingen aus der Vergangenheit beschäftigt, um Antworten auf Fragen der Gegenwart zu finden. Gerüchten zufolge hatte Bruder Leo in der Klosterbibliothek Sensationelles über einen weltbekannten Mönch und Kartographen namens Fra Mauro entdeckt. Dieser hatte von einem honorigen Mitglied der Erzbruderschaft der Scuola Grande di San Rocco in Venedig wohl etwas erfahren, das die Ordensleitung der Franziskaner ihm weder erklären konnte noch wollte. Bis zum Heiligen Vater in Rom war Bruder Leo bei seiner Suche nach Antworten vorgedrungen. Es hatte etwas mit der Reise des heiligen Franziskus zu den Sarazenen in Ägypten und zu dem Sultan von Kairo zu tun gehabt. Doch der Papst höchstpersönlich, so munkelte man, habe Bruder Leo verboten gehabt, in dieser Sache weitere Nachforschungen anzustellen. Als aus unerklärlichen Gründen auch noch der Verdacht im Raum gestanden hatte, Bruder Leo habe die traditionelle Toleranz des Franziskanerordens für das weibliche Geschlecht missverstanden und, in verwerflicher Auslegung der Beziehung des heiligen Franziskus zur heiligen Klara, unkeuschen Gedanken angeblich verwerfliche Taten folgen lassen, sah sich die Ordensführung damals schließlich genötigt, ihm den Austritt nahezulegen. Bruder Leo hatte dann tatsächlich den Orden verlassen und unter dem bürgerlichen Namen Charles Bahri begonnen, seine Leidenschaft für alte Bücher zum Lebensinhalt zu machen. Das zumindest war die offizielle Version.
    Pater Giovanni überlegte angestrengt. Alles, was er über Charles gehört hatte, wirkte seltsam, sogar der weltliche Nachname des einstigen Bruders. Bahri war ein ungewöhnlicher Name für einen ehemaligen französischen Mönch. In Ägypten gab es zwar einen weltberühmten Tempel ähnlichen Namens, jener der Königin Hatschepsut in Deir el Bahri, bei Theben. Aber warum sich der Bruder diesen ägyptischen Namen gegeben hatte, wusste niemand.
    Vor einigen Jahren war Charles dann plötzlich wieder hier aufgetaucht. Es war nichts Ungewöhnliches, das sich weltliche Besucher im Kloster aufhielten. Seit die Franziskanergemeinschaft einige Zimmer für Nichtordensmitglieder auf der Suche nach spirituellen Erfahrungen zur Verfügung stellte, kamen manchmal gläubige Christen, die sich hier für einige Wochen einquartierten. So wie Charles. Er kam als Privatmann, um in der Abgeschiedenheit der Insel in sich zu kehren, damit er, wie er es Bruder Elias mal sehr kryptisch gesagt hatte, »… auf der Suche nach den Wahrheiten dieser Welt meinen wahren christlichen Glauben nicht gänzlich verliere«. Zu Bruder Elias hatte Bahri ein sehr inniges Verhältnis gehabt. Erst vorgestern war Charles aus dem Land angereist, aus dem auch der heilige Franziskus vor mehr als 800 Jahren gekommen war, als er auf der Insel angelegt hatte: aus Ägypten. Der alte Mann hatte bei seiner Ankunft einen sehr verstörten Eindruck gemacht. Schon am folgenden Tag war er mit einem großen Umschlag nach Venedig gefahren. Abends war er ohne diesen zurückgekehrt. Nun war er tot. Ermordet.
     
    Peter Föllmer konnte nicht widerstehen. Er hatte das Dokument zwar schon dutzendmal gelesen, aber einzelne Passagen hatten sich derart in seinem Kopf festgesetzt, dass er an nichts anderes mehr denken konnte. Seit er
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