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Die verschollene Karawane

Titel: Die verschollene Karawane
Autoren: Rolf Ackermann
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nun noch einen toten Mönch, in Murano. Nach einem kurzen Disput mit dem jungen Polizisten, der das Boot steuerte und ebenso von einem Missverständnis ausging, heulte der Dieselmotor des Einsatzschiffes auf. Das Boot flog über die Wellenkämme. Commissario Toscanelli hatte entschieden, zunächst zu dem Kloster zu fahren und dann zurück nach Murano. So weit auseinander lagen beide Orte nicht. Vielleicht zehn, fünfzehn, höchstens aber zwanzig Minuten mit dem Boot. Zuvor mussten sie allerdings noch einen Kollegen in Treporti abholen, was einen Umweg bedeutete.
    »Tot sind sie sowieso alle beide«, murmelte er und verspürte ein höchst eigentümliches Gefühl in der Bauchgegend, das nichts mehr mit seiner Seekrankheit zu tun hatte. Zwei tote Mönche an einem Tag. Was für ein ungewöhnlicher Zufall! Vielleicht war es auch kein Zufall.
    Nebelbänke verhüllten die kleine Insel gegenüber Treporti, aus dem sich einzelne Gebäude schemenhaft gegen den bedrohlich wirkenden Himmel abhoben. Die Insel mit dem Kloster sah aus wie ein kitschiges Postkartenidyll: Zypressen überthronten mehrere anheimelnde Bruchsteingebäude mit roten Ziegeldächern, und der weiß getünchte Kirchturm ragte wie ein mystischer Wegweiser in den dunklen Himmel.
    Sein venezianischer Assistent, der junge Pietro Taricani, trat zu ihm an den Bug des Schiffes. »Sieht so aus, als könne man hier geruhsamen Urlaub machen: weit weg von der quirligen Stadt, von der Lagune umspült und nur mit dem Boot erreichbar. Wer hier lebt, will seine Ruhe haben.«
    »Waren Sie schon mal hier?«, fragte Commissario Toscanelli und bemühte sich, nicht mehr seekrank zu wirken.
    »Nein, noch nie. Ich weiß nur, dass auf dieser winzigen Insel einige wenige Mönche vom Franziskanerorden leben. Es ist schwierig, zur Insel zu gelangen. Das Wasser der Lagune ist hier ziemlich niedrig. Überall sind kleine Sandbänke und sumpfige Schilfgrasinseln. Zu Fuß erreicht man die Insel nicht und mit einem zu großen Boot auch nicht. Und bei Ebbe geht gar nichts mehr. Die Leitstelle hat deswegen empfohlen, dass wir nach Burano fahren und dann die mit Holzpfosten markierte Fahrrinne benutzen sollen. Dieses Kloster ist eine Festung.«
    »Ist das da drüben Burano?«, wollte Commissario Toscanelli wissen und wies auf einen extrem schiefen Kirchturm östlich der Klosterinsel hin.
    »Ja, das ist Burano. Der Kirchturm ist fast genauso schief wie der Turm von Pisa. All diese Orte hier draußen auf den Inseln sind auf Sand gebaut. Kein Wunder, dass so hohe Gebäude wie der Kirchturm im Laufe der Jahre in Schräglage geraten.«
    »Sieht nett aus, dieses Burano«, sinnierte der Commissario, während das Boot in einem weiten Bogen die Klosterinsel umrundete und schließlich an den blau-gelb-grün getünchten Häusern des Ortes vorbei langsam auf das Kloster zusteuerte. Sie fuhren in dem seichten Wasser extrem langsam, stets an den mit Nebellampen bestückten Markierungspfosten entlang. Noch immer waren von dem Kloster nur die Ziegeldächer und der schlanke Kirchturm zu sehen. Plötzlich riss der Nebel auf. Am Ende der schmalen Fahrrinne, die auf ein Bruchsteingebäude zuführte, waren zwei Männer in braunen Kutten zu sehen. Der ältere Mönch hatte eine Halbglatze und einen gestutzten Kinnbart und schien ziemlich aufgeregt zu sein. Der andere war noch sehr jung und leichenblass. Beide warteten mit vor der Brust gefalteten Händen am Pier und starrten Commissario Toscanelli entgegen.
    »Guten Tag, Pater«, grüßte er den Älteren und nickte in Andeutung seines Respekts dem Jüngeren zu. »Ich bin Commissario Franco Toscanelli. Das hier ist mein Assistent, Pietro Taricani. Ich bedaure zutiefst, diesen malerischen Ort aus so einem unangenehmen Anlass zum ersten Mal zu besuchen.«
    Der Mönch mit dem Kinnbart, von dem er vermutete, dass es der Prior des Klosters war, verbeugte seinen Oberkörper dezent. »Schrecklich! Es ist furchtbar, Commissario! Ein Mord in diesen altehrwürdigen Gemäuern des heiligen Franz von Assisi! Wir sind zutiefst entsetzt! Ach so, ja, ich bin der Prior des Klosters. Entschuldigen Sie bitte, dass ich vergaß, mich vorzustellen. Was für ein grauenhaftes Verbrechen! Noch grauenvoller ist, dass die Leiche die ganze Nacht über hier hat liegen bleiben müssen. Bei Ebbe und dichtem Nebel, so wie in der letzten Nacht, sind wir nun mal nicht erreichbar. Eine schreckliche Nacht war es! Kein Auge habe ich zugemacht! Nicht mal das Telefon hat funktioniert. Und dann auch noch
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