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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen
Autoren: Ursula Poznanski
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ungewöhnlich. Er muss ein Gast aus einer anderen Sphäre sein. Vielleicht aus dem Ausland.«
    »Gilt dort denn eine andere Farbregelung?«
    »Eigentlich nicht. Vielleicht ist er erst kürzlich hierher umgesiedelt worden und wird erst noch zugeteilt? Ich habe ihn noch nie gesehen.«
    Das ist möglich, obwohl das gebieterische Gebaren des fremden Sentinel für mich etwas anderes aussagt. Er verhält sich wie ein Beamter des Sphärenbundes, doch die tragen keine Uniformen.
    Auch Tudor lässt den Mann nicht aus den Augen und sein Atem geht etwas schneller. Interessant.
    »Ich vermute, dass Ria richtigliegt«, sagt er. »Kommando. Möglicherweise hat er seine Farben abgelegt, um zu verhindern, dass Gerüchte die Runde machen.«
    Mein Puls beschleunigt sich und ich atme betont ruhig, damit mein Salvator nicht anspringt. Tudor hat recht. Die Sentinel vom Kommando lassen sich hier nur dann blicken, wenn Gefahr droht. Wie damals, als die Prims die Außenhülle von Kuppel 17a gesprengt hatten. Oder zwei Jahre davor, nach den Überfällen auf die Lebensmitteltransporte aus Sphäre Genua 4. Gelegentlich begleiten sie auch wichtige Persönlichkeiten, wenn diese von Sphäre zu Sphäre reisen.
    Schweigend beobachten wir, wie der Fremde weitergeht, zur nächsten Tafel. Wieder zeigt er hinauf und ich bin mir sicher, er deutet auf Lus Namen. Jetzt, da er näher bei uns steht, schwindet mein letzter Zweifel an Tudors Worten.
    Seine Haltung, seine Miene, die Selbstverständlichkeit seiner knappen Bewegungen. Der Mann ist es gewohnt zu befehlen.
    Sie schicken jemanden vom Kommando wegen drei toter Studenten, denke ich und mir wird warm, weil es eine verdiente Würdigung für Lu, Raman und Curvelli ist. Doch dann fällt mein Blick auf Tudor. Er muss sich unbeobachtet fühlen und hat für wenige Augenblicke seine Emotionskontrolle vernachlässigt. Hinter seinem ironischen Lächeln und den lässig gehobenen Augenbrauen sehe ich plötzlich nackte, blanke Angst.

3
    »Ich bin darauf trainiert, so etwas zu erkennen«, protestiere ich.
    Aureljo läuft zwei Schritte vor mir, und obwohl ich nur seinen Hinterkopf sehe, weiß ich, dass er nachsichtig lächelt.
    »Wir sind doch alle beunruhigt.« Er bleibt stehen, dreht sich um und nimmt mich in den Arm. »Tudor war mit Raman befreundet, wusstest du das? Er trauert, auch wenn er es nicht zeigt.«
    »Er hat Angst.« Wie soll ich Aureljo den Unterschied klarmachen? Es ist, als wollte man jemandem, der keine Noten beherrscht, erklären, wie er eine Partitur lesen muss. Die Gefühlsäußerungen eines Menschen, offen oder unterdrückt, sind wie Orchestermusik, es passiert unglaublich viel gleichzeitig. Wenn man nur auf die Augen, die Hände oder die Stimme achtet, wird man leicht getäuscht.
    »Er war wütend und traurig, das stimmt. Aber dann …« Ich suche nach den richtigen Worten. »Als Tudor diesen Sentinel gesehen hat, ist er innerlich zurückgewichen. Sein Kiefer hat sich angespannt, seine linke Hand hat die rechte umfasst. Er hat häufiger geblinzelt.« Ich seufze und zucke mit den Schultern. »Er ist erschrocken und hatte Angst. Glaub es oder lass es.«
    Aureljo beugt sich zu mir und legt seine Stirn gegen meine. »Ich glaube dir, ich weiß, wie gut dein Auge für Menschen ist. Aber kannst du dir erklären, woher seine Angst kommen sollte? Das Kommando ist doch dazu da, uns in Krisensituationen zu beschützen.«
    Darauf habe ich keine Antwort. Müsste ich eine Einschätzung abgeben, würde ich sagen, dass sich Tudors Angst auf diesen Sentinel, seine Person, bezog, nicht auf einen drohenden Überfall. Natürlich könnte ich ihn direkt fragen, doch meine Lust auf höhnisches Lachen und grobe Bemerkungen hält sich in Grenzen.
    »Vielleicht weiß er etwas, das wir nicht wissen.« Erst nachdem ich es ausgesprochen habe, wird mir klar, dass das wahrscheinlich die Wahrheit ist.
     
    Wir trennen uns vor dem Eingang zu den äußeren Quartieren. Aureljo biegt nach links ab, ich nach rechts. Die Sentinel der Quartierwache nicken mir grüßend zu und ziehen ihre Scanner über den Identifikationscode, der seitlich an meinem Salvator angebracht ist. Der Anwesenheitszähler springt auf 145, jedenfalls vermute ich das, denn die mittlere der Leuchtziffern flackert und erlischt immer wieder. Ersatzteile fehlen, der letzte Transport wurde überfallen. Ich frage mich, was die Prims wohl mit Leuchtdioden anfangen.
    Dass sich um diese Zeit schon so viele Studenten in ihren Quartieren befinden, muss an der
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