Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen
Autoren: Ursula Poznanski
Vom Netzwerk:
großes Talent als angehender Arzt, über seine Geschicklichkeit, sein Einfühlungsvermögen und seine bedingungslose Hilfsbereitschaft. Was für eine Verschwendung sein Tod ist. Wie ungerecht ich es finde, dass es ihn getroffen hat. Aber mein Hals spielt noch nicht mit, mehr als »Leb wohl« bringe ich nicht heraus. Aber immerhin kann ich zu ihm gehen und einen Kuss auf seine Stirn drücken, die kalt ist wie ein glatter Stein.
    Was ich sagen wollte, sagt am Ende Aureljo, und es ist nicht zu übersehen, wie bewegt er ist. Er weiß mehr über Fleming als ich, erzählt von seiner Forschungsarbeit und den Plänen, die er hatte.
    »Es hätte jeden von uns treffen können«, schließt er. »Jeden, der das Zimmer betreten hätte. Aber so trauern wir nun um Fleming, benannt nach dem weltberühmten Arzt und Entdecker, dem er an Einsatz und Forschungsdrang nicht nachstand.«
    Dass Aureljo die Trauerformeln der Sphären übernimmt, dass er Fleming die ganze Wertschätzung zukommen lassen will, die er dort erhalten hätte, macht all meine Selbstbeherrschung zunichte. Tränen brennen in meinen Augen und ich lasse sie fließen.
    In gewisser Weise ist es schlimmer als bei Lu, weil ich so nah war, als es passiert ist. Weil ich den Gedanken nicht abstreifen kann, dass ich es hätte verhindern können.
    »Will noch jemand etwas sagen?«, fragt Aureljo mit belegter Stimme. Wir schütteln die Köpfe.
    Dantorian wendet sich als Erster zum Gehen, an seinem Arm hängt immer noch Tomma, mit rot geschwollenen Augen.
    »Wartet!«, ruft Tycho. »Wir sollten seinen Salvator mitnehmen. Ich weiß, der ist so kaputt wie bei uns allen, aber vielleicht hat er ja doch etwas aufgezeichnet, während … also, als Fleming gestorben ist. Dann wüssten wir wenigstens ein bisschen mehr.«
    »Gut.« Aureljo tritt noch einmal an die Liege heran. Mit vorsichtigen Bewegungen, als wollte er Fleming nicht wecken, löst er den Verschluss und zieht den Salvator von seinem Handgelenk.
    Tycho streckt die Hand danach aus. »Danke.« Er streicht über das Display und drückt zwei der seitlichen Tasten. Schüttelt den Kopf, versucht es noch einmal. »Sieht schlecht aus«, murmelt er.
    Um ehrlich zu sein, habe ich nichts anderes erwartet. Alle unsere Salvatoren haben Schaden genommen, sie sind ebenso wenig für das Leben außerhalb der Sphären gemacht wie wir.
    »Lasst uns nach oben gehen.« Ich will Tycho aufhelfen, wir müssen ja nicht warten, bis Sandor uns holen kommt. Wenn wir die Kammer verlassen haben, wird Tomma vielleicht aufhören zu weinen.
    Aber Tycho sieht die Hand nicht einmal, die ich ihm entgegenstrecke. Er hat den Salvator umgedreht und betrachtet die Rückseite, die sonst auf der Haut aufliegt. Die Seite mit den Sensoren.
    »Das hier kenne ich gar nicht. Schaut mal, da ist ein Schalter.«
    Ich sehe erst nach einigem Suchen, was er meint. Eine versenkte runde Taste, so klein, dass man sie kaum mit den Fingern drücken kann. Tycho schafft es trotzdem und das Display erwacht zum Leben. Zeigt Text, strahlend blau. Es sind kryptische Zeichen, sinnlose Buchstabenfolgen. Ganz klar eine Fehlfunktion.
    Doch Tychos Augen weichen nicht von der Schrift. Mit spitzen Fingern zieht er den verborgenen Schalter aus seiner Versenkung und dreht daran, sachte. Die Zeichen verändern sich, ändern sich wieder und wieder – und ergeben plötzlich einen Sinn.
    Tycho keucht leise auf, er hat zu weit gedreht und bemüht sich nun, die Einstellung wiederzufinden, in der der Text lesbar gewesen ist.
    Dann hat er es. Mein Blick fliegt über die Zeilen und meine Knie geben nach, bis ich schließlich neben Tycho auf dem Boden sitze.
    Auch er liest, was da steht, scrollt hin und her, schüttelt den Kopf. »Das gibt es doch nicht.«
    »Anfang«, krächze ich. Meine Stimme ist mir fremder denn je. »Geh zum … Anfang.«
    Erst denke ich, er hat nicht verstanden, was ich gesagt habe, doch dann schiebt Tycho den Text nach unten, weiter und weiter, bis es nicht mehr geht.
    Es ist ein Dialog. Fragen und Antworten. Anweisungen und Rückmeldungen. Ich war nicht die Einzige, die Nachrichten erhalten hat, aber ich konnte nie zurückschreiben.
    Fleming schon.
     
    Es ist schiefgegangen, was soll ich tun? , lautet die erste Meldung.
     
    Bei ihnen bleiben. Entfernt euch nicht zu weit von der Magnetbahn. Alle am Leben?
     
    Ja. 7 ist verletzt, aber nicht schwer.
     
    Wissen wir. Nimm sie als Vorwand, um die Gruppe zu bremsen. Wir brauchen Zeit, schaffen es nicht, euch zu orten.
     
    Verstehe.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher