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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen
Autoren: Ursula Poznanski
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erwarten.
    »Ausgerechnet der Nützlichste von ihnen« war der mitfühlendste Kommentar, den ich aufgeschnappt habe, die anderen Äußerungen klangen durchweg feindseliger.
    »Jeder tote Liebling macht die Welt besser« habe ich am häufigsten gehört. Keine Frage, dass das für meine Ohren bestimmt war.
    Wenig später kommt Quirin zu uns, sieht zuerst nach Tycho und nickt zufrieden. »Du wirst dich erholen, mein Junge. Hast noch ein paar schmerzhafte Tage vor dir, aber du wirst es überstehen, keine Sorge.«
    Am linken Ärmel seiner hellen Jacke entdecke ich rote Spuren – wahrscheinlich hat er Flemings Körper ebenfalls untersucht.
    »Wir haben euren Freund in ein anderes Zimmer gebracht und werden morgen bei Anbruch der Dunkelheit das Totenfeuer entzünden. Wenn ihr etwas von seinen Sachen haben wollt, solltet ihr es euch vorher nehmen, denn das Feuer wird nichts übrig lassen.«
    Tomma schluchzt auf, Aureljo dreht sich zur Seite und wischt sich übers Gesicht. »Wir würden uns gern in Ruhe von ihm verabschieden, vor der Verbrennung. Kann uns morgen jemand zu ihm bringen?«
    »Sicher. Ein ehrenhafter Wunsch.« Quirin verstummt, aber er scheint noch etwas sagen zu wollen, sein Blick ruht auf seinen verschränkten Fingern und der zerschrammten Tischplatte, auf der sie liegen.
    »Ich habe ein langes Gespräch mit dem Than geführt«, spricht er schließlich weiter. »Fürst Vilem ist nicht mehr bereit, euch Unterschlupf zu gewähren. Er befürchtet, dass es sonst zu einem Streit innerhalb des Clans kommen würde.« Quirin streckt und beugt seine Finger. »Sandor hat versucht, ihn umzustimmen, aber es ist ihm nicht gelungen. Und nach dem, was heute passiert ist … Vilem meint, ihr lockt ihm Sentinel in sein Territorium, seit Jahren sind nicht mehr so viele hier gesichtet worden. Und heute muss mindestens einer von ihnen hier im Haus gewesen sein, um Fleming zu töten.« In einer beschwichtigenden Geste hebt Quirin die Hände, noch bevor jemand von uns protestieren kann. »Ich weiß, ich weiß, es könnte auch einer der Dornen gewesen sein oder ein Noraner. Aber wenn wir uns ansehen, was Ria und Tycho widerfahren ist, wenn wir uns daran erinnern, was der Sphärenbund mit euch vorhatte, dann können wir Vilems Befürchtungen nicht einfach vom Tisch wischen.«
    Nein, das können wir nicht.
    Ein Sentinel-Messer, bei dem jemand den Griff ausgetauscht hat. Jeder könnte es gewesen sein. Sogar einer von uns. Der Verräter, wenn es ihn gibt.
    Ein verrückter Gedanke formt sich in meinem Kopf. Tomma ist Fleming suchen gegangen, fand ihn in unserem Zimmer. Wer sagt, dass sie nicht die Gelegenheit ergriffen hat, dem Sphärenbund einen Gefallen zu tun? Ein gut gezielter Stich, Fleming, der von ihr nichts Böses erwartet hat, und dann ihr Zusammenbruch, als er wirklich tot vor ihr lag. Möglich wäre es.
    »Dann werden wir euch nach dem Totenfeuer verlassen«, höre ich Aureljo sagen. »Ihr habt uns lange Gastfreundschaft und Schutz gewährt, wir sind euch sehr dankbar.«
    Quirin nickt, als hätte er nichts anderes erwartet, und lächelt. »Ich dachte mir, dass du das vorschlagen würdest. Aber ich habe unseren Plan nicht vergessen. Nur weil Vilem euch fallen lässt, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch tue.« Er sieht uns an, einen nach dem anderen. »Von dieser Stadt ist weit mehr übrig geblieben, als es auf den ersten Blick scheinen mag. An der Oberfläche sind die Ruinen in der Überzahl, aber es gibt hier auch die Stadt unter der Stadt. Ria kennt bereits einen Teil davon. Gänge, Kanäle, Schächte, Katakomben – ein vernetztes System, das fast unbeschädigt ist.« Sein Lächeln vertieft sich. »Dort bin ich der Fürst und dort seid ihr herzlich willkommen.«
    Es ist ein düsteres Reich und ich bin mir nicht sicher, ob ich dort längere Zeit verbringen will. Aber das ist Nebensache, Quirins Angebot ist ein Geschenk, das wir keinesfalls ausschlagen dürfen. Allein schon, weil wir jetzt zwei Verletzte unter uns haben, die noch Wochen brauchen werden, um wieder lange Märsche durchhalten zu können.
    Quirin beugt sich vor, er spricht nun so leise, dass er bei all dem Lärm in der Halle kaum zu verstehen ist. »Packt eure Sachen und verabschiedet euch von denen, die ihr besser kennengelernt habt. Achtet darauf, dass ein paar Geschwätzige darunter sind. Erzählt ihnen, dass ihr den großen Fluss entlangwandern, eine verlassene Siedlung suchen wollt, die ihr wieder aufbauen könnt.«
    Ich nicke, obwohl ich nicht viel
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