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Die verratene Nacht

Die verratene Nacht

Titel: Die verratene Nacht
Autoren: Colleen Gleason , Joss Ware
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hat es mich schlicht durch den Boden eines Hauses geschlagen. Hab’ mir die Birne richtig gut angeschlagen. Als ich wieder zu mir kam, musste ich erst einmal meinen Arsch da rausbekommen, und als ich dann wieder dort ankam, wo ich ihn gelassen hatte, war Theo weg.“
    „Keinen Hinweis darauf, wo er hingegangen ist?“
    „Er ist Scheiße nochmal ganz sicher nicht aufgestanden und davonspaziert, Lou. Und es war kein Tier, das ihn sich geholt hat, oder ein Zombie, denn die hätten irgendwas wie ‘ne Spur hinterlassen.“ Fences Wut, die ehrlich gesagt mehr gegen sich selbst als gegen Theo gerichtet zu sein schien, legte sich anscheinend wieder etwas, als er sich mit einer Hand über den kahlen Schädel fuhr. „Ich habe überall gesucht, aber ich konnte nicht eine einzige Spur von ihm finden. Niente. Er war wie vom Erdboden verschluckt.“
    „Aber er war angeschossen“, sagte Lou und war jetzt vorsichtig bei seiner Wortwahl. Denn allmählich dämmerten ihm die Fakten. „Er würde nicht lange überleben ohne medizinische Versorgung.“
    „Nein.“ Die Stimme von Fence war kaum mehr als ein Flüstern. „Ich sehe da echt nicht, wie er es ohne Elliotts Hilfe schaffen kann.“
    Was bei dem großen Kerl seine Art war zu sagen, dass er tot war. Theo war tot.
    Nein.
    Theo war unzerstörbar. Er hatte mehr Leben als eine Katze.
    Nein.
    Lou stand jetzt auf und fühlte wie jedes Gelenk seiner achtundsiebzig Jahre protestierend ächzte. An manchen Tagen fühlte er sich jünger, als sein Bruder aussah – was so um die dreißig heißen sollte. Aber an einem Tag wie dem heutigen, da fühlte er sich noch älter als Gott selbst.
    „Ich gehe Jade und Elliott holen“, sagte Sage, die schon zum Ausgang ihres geheimen, unterirdischen Computerraums ging. „Simon wird auch mitgehen wollen, und Wyatt. Um nach ihm zu suchen.“ Sie schaute kurz zu Fence.
    Er nickte, sein dunkles Gesicht erschöpft, aber seine Augen wach. „Jep. Es ist eine Tagesreise von hier.“
    „Diesmal komme ich mit“, sprach Lou, seine Stimme ausdruckslos. „Diesmal werde ich nicht hier zurückbleiben.“
    Sage öffnete den Mund, um dagegen zu halten, aber Lou war nicht in der Stimmung auf sie zu hören. „Ich werde Scheiße nochmal mitgehen. Ende der Diskussion.“
    Und dann schloss er für einen Augenblick die Augen und fühlte. Streckte sich nach jenem fühlbaren Faden, der ihn mit Theo verband – eben jener Faden, der ihm gesagt hatte, dass sein Bruder den Wechsel auch überlebt hatte. Der Faden, der ihn damals näher und näher in die Richtung von seinem Zwilling gezogen hatte, bis er ihn schließlich fand.
    Zum ersten Mal überhaupt fühlte er gar nichts. Der Faden war zerrissen.
    Lou öffnete die Augen und ihm wurde klar, dass er alleine war.
     
     
    ~*~
    Nimm den Kristall.
    Selena starrte auf den Mann herab, der selbst im Tode noch schön war. Mit seiner glatten, ein bisschen schimmernden, olivfarbenen Haut und den dichten, schwarzen Wimpern.
    Es war zu spät.
    Und doch: irgendetwas veranlasste sie zu der kleinen Truhe in der Ecke zu gehen, wo sie immer döste, während sie hier nachts Wache hielt. Sie hatte den Kristall heute Morgen dort hinein getan, was ungewöhnlich war, da sie ihn meist sicher in ihrem Zimmer verwahrte.
    Sie öffnete den Riegel und holte das kleine, gezackte Stück rosafarbenen Steins heraus. Er fühlte sich unter ihren Händen warm an und für einen kurzen Moment lang gab Selena der Wut und den Schuldgefühlen nach. Wenn sie schneller gewesen wäre, sich nicht um Clara gekümmert hätte, hätte das einen Unterschied gemacht? Für ihn?
    Nimm den Kristall.
    Aber wie? Selbst wenn es nicht zu spät war, was könnte sie damit denn tun? Er wurde nicht für die Heilung von Menschen benutzt.
    Der durchsichtige Stein, der etwa so groß wie ihr Daumen war, hatte tief innen drin dunkelrote Adern. Selena schaute ihn an und der Edelstein schien wärmer zu werden, während sie da auf ihn herabstarrte. Weil ihre Hand sich um ihn schloss, logisch.
    Oder nicht.
    Sie besaß ihn, schon so lange sie zurückdenken konnte. Laut Vonnie hatte der Kristall zwischen ihren Wickeltüchern gesteckt, unter ihrem Arm, als sie Selena gefunden hatte. Ob absichtlich oder aus Versehen wusste niemand. Jahrelang hatte Selena ihn irgendwo zwischen ihren persönlichen Sachen aufgehoben, weil sie sicher gewesen war, dass er Lena gehörte, der Name, den sie der Frau gegeben hatte, die sie während des Wechsels geboren hatte. Ob es sich nun wirklich so verhielt
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