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Die verratene Nacht

Die verratene Nacht

Titel: Die verratene Nacht
Autoren: Colleen Gleason , Joss Ware
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Oxymoron klang, aber er verließ sich hier gerade auf die ersten Eindrücke eines immer noch grau-klebrigen Hirns. Andere Dinge drangen ebenfalls durch diesen Brei durch: die Tatsache, dass sie jünger war als die erste Frau, mit langem, dichtem, dunkelbraunem Haar, einem etwas schlankeren Körper, kein ganz so lautes Energiebündel ... aber fachkundig. Fachkundig, friedvoll, heiter.
    Sie trat an das Bett und blieb daneben stehen, starrte herab, als hätte sie ihn nie zuvor gesehen. Und vielleicht hatte sie das auch nicht; wie zum Teufel sollte er das schon wissen? „Du bist wirklich am Leben“, sagte sie. Verwunderung in der Stimme. „Wie fühlst du dich?“
    „Hungrig“, sagte er und öffnete den Mund weit genug, damit der Löffel reingleiten konnte. Auf einmal kam er sich ein bisschen komisch vor, mit zwei Frauen, die hier auf ihn runterblickten, und dass er wie ein Baby mit dem Löffel gefüttert wurde.
    „Ich übernehme das“, sagte sie, während sie sich zur älteren Frau umdrehte. „Danke, Vonnie.“
    Vonnie stand mit der gleichen Munterkeit wieder auf, mit der sie sich gesetzt hatte, wobei sie gegen das Bett stieß, als sie sich beiseite schob, um der neu hinzugekommenen Frau Platz zu machen. „Ich geh dann mal und schaue nach Maryanna.“
    „Sie scheint Schmerzen zu haben. Vielleicht kannst du ihr einen Bong anwerfen? Sie ist noch nicht bereit zu gehen.“ Ihre Stimme klang ein klein wenig angespannt, aber wie sollte Theo denn wissen, wie ihre Stimme normalerweise klang? „Und Sam hat sich beschwert, dass er Hunger hat.“
    „Was wäre daran denn neu?“, sagte Vonnie, während sie sich geräuschvoll einen Weg aus dem kleinen Tuch-umsäumten Abteil bahnte. Sie warf die Hände in die Luft und lachte einmal kurz auf, als sie den Raum dort draußen durchquerte, was die Tücher dazu brachte, sich etwas zu blähen. „Ich kümmere mich darum. Lass dir Zeit, Selena.“
    Selena hielt einen Löffel voll von der Brühe hoch, aber Theo, der sich lächerlich vorkam und auch ein bisschen wie ein Insekt, das man an eine Korkwand gepinnt hatte, wegen der Art und Weise, wie sie ihn anschaute, schob sich mühsam in eine etwas aufrechtere Position. „Ich kann selbst essen. Danke.“
    Ohne ein weiteres Wort gab sie ihm die Tasse und den Löffel und schaute schweigend zu, wie er den Löffel ignorierte und aus der Tasse schlürfte.
    „Du bist vor drei Tagen gestorben“, sagte sie dann.
    Theo tat der Kopf weh und – ganz plötzlich – auch die Brust. Alles tat weh. Surreal. Das war alles, was er denken konnte. Das war surreal. An einem Ort zu sitzen, wo er niemanden kannte, keine Ahnung hatte, wie er hierher gekommen war, von einer Frau namens Selena gepflegt wurde, gerade gesagt bekam, dass er gestorben sei. Vor drei Tagen.
    Mit einem verdammten Bündel Salbei hier auf dem Tisch neben ihm.
    Er war sich nicht sicher, ob er weinen oder lachen sollte.
    „Bin ich jetzt tot?“, war das Einzige, was ihm zu sagen einfiel. Er könnte im Himmel sein. Oder wo auch immer man hinging, bevor man dort hinkam, denn der liebe Gott wusste nur zu gut, dass er nicht perfekt war. Er war ganz sicher nicht in der Hölle. Denn die hatte er in Envy schon gehabt, wo er Sage und Simon zusehen musste.
    Selens schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe dich wieder zurückgeholt.“
    Theo kippte die Tasse mit etwas zu viel Schwung nach hinten und verschluckte sich an einem großen Schluck Brühe. Wieder von dort zurückgeholt zu werden, lag in dieser Welt außerhalb des Möglichen. Vor dem Wechsel war es vielleicht noch möglich gewesen, vor dem Juni 2010, als es noch Defibrillatoren und so was wie eine Notaufnahme gab ... aber nicht hier.
    Obwohl ... hatte Lou nicht behauptet, dass er ihn wiederauferstehen hatte lassen, nachdem er ihn während des Wechsels in der unterirdischen Kammer aufgefunden hatte? Er riss immer noch Witze darüber, Theo wieder zum Leben erweckt zu haben, aus einem Koma-ähnlichen Schlaf.
    Theo schluckte. „Wie hast du das gemacht?“, fragte er und hielt dabei seine Stimme im gleichen Plauderton wie sie ihre.
    „Ich bin mir nicht sicher“, erwiderte sie und um ihre Augen tauchten nachdenkliche, kleine Falten auf. Ein kleines Lächeln, vielleicht ein wenig reumütig und sogar verwirrt, machte, dass weitere kleine Falten um ihre Mundwinkel auftauchten. Keine Grübchen, keine Falten ... sondern Lebenslinien. Ihm ging plötzlich auf, dass sie vielleicht sogar schon über vierzig war.
    „Es war eine Art Wunder“,
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