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Die verratene Nacht

Die verratene Nacht

Titel: Die verratene Nacht
Autoren: Colleen Gleason , Joss Ware
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und das eine Auge von ihm, das man sehen konnte, funkelte dort unten an seiner Hüfte.
    Funkelte?
    Selena kniete sich neben ihm nieder, um sich das genauer anzuschauen, und konnte nicht umhin zu bemerken, wie sich unter der verrutschten Hose schon die Kurve seines Hinterns wölbte. Hmm. Es war mehr ein Glitzern als ein Funkeln. Was um alles in dieser verrückten Welt war das ?
    Ein schmerzhafter Stoß, wie Feuer, schoss durch sie hindurch und sie riss die Hand weg. „Was zum Teufel!“
    Selena starrte auf ihn runter, lauschte dem rasselnden, gutturalen Atmen, das kein gutes Omen war, aber unaufhörlich weiterging und weiterging. Sie konnte das Aufblitzen von etwas Metallischem dort genau erkennen, als ob es in seine Haut eingebettet wäre.
    Oder als ob seine Haut lediglich etwas Metallisches verdeckte.
    War er eine Art Klingon? Ein Roboter?
    Ein Elite?
    Mit hämmerndem Herzen hockte sie sich wieder nach hinten auf die Fersen, wobei sie immer noch neben dem Bett hockte. Konnte das vielleicht das seltsam gefärbte Funkeln in seiner Todeswolke erklären?
    Man hatte ihr noch nie zuvor einen Elite hierher gebracht – was nicht überraschend war, denn – dadaa! – die Elite waren unsterblich wegen der Kristalle, die man ihnen in die Haut eingepflanzt hatte. Sie starben nicht, also brauchten sie die Todeslady auch nicht.
    Aber dieser Mann hier hatte Metall unter seiner Haut. Vielleicht war er letzten Endes überhaupt kein Mann.
    Aber warum hatte er dann die Todeswolke? Den Nebel?
    Er fühlte sich warm an, er fühlte sich menschlich an. Er atmete. Er blutete offensichtlich auch. Sein Herz versuchte weiterhin zu pumpen, aber es war schwach und kam unregelmäßig. Er war ganz eindeutig ein Mann.
    „Nimm den Kristall.“
    Selena erstarrte so plötzlich, dass sie fast das Gleichgewicht verloren hätte und sich gerade noch mit einer Hand auf dem Teppich aufrecht halten konnte. Sie drehte sich um. „Was hast du gesagt?“
    Clara war es irgendwie gelungen, sich in ihrem Bett aufzusetzen. Ihre Augen in dem Kindergesicht waren jetzt voller Weisheit und Klarheit. „Ich soll dir von ihnen sagen lassen, dass du den Kristall nehmen sollst.“
    Das Herz hämmerte ihr, als Selena sich langsam erhob. Von dem Kristall wusste niemand, außer Vonnie. „Wer?“
    Clara lächelte und machte eine abrupte, abgehackte Geste zu der Ecke nahe bei ihrem Bett. Wo ihre Begleiter – oder Engel, wie sie es vorzog, sie zu nennen – normalerweise erschienen. Dort waren sie nicht oder zumindest waren sie für Selena im Moment nicht sichtbar. „Du weißt es doch schon“, sagte das Mädchen zu ihr. Ihr Lächeln wurde intensiver, fast glückselig. Die blaue Wolke bauschte sich.
    Dann, auf einmal, erlosch das Licht in ihren Augen, als hätte sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. Jähe Furcht packte Selena da ganz tief drinnen und sie rannte los.
    Sie langte noch rechtzeitig an Claras Seite an, um ihre Hand zu berühren. „Clara.“ Nein, oh nein.
    Es war schon schwer genug zuzusehen, wie das Licht in den Augen einer Person erlosch, aber am schwierigsten war es mit Kindern. Und doch waren gerade die so tapfer, sahen die Dinge so klar vor sich. Der Todesnebel wurde dichter und als sie da neben dem kleinen Mädchen saß, spürte Selena, wie sie selbst von der blauen Wolke eingehüllt wurde. Claras Eltern standen in dem Nebel, warteten darauf, ihr zu helfen, und ihre Tante ebenso. Schemenhaft waberten sie in der Ferne. Selena umschloss die kleineren Hände mit den eigenen und fühlte, wie die Wärme aus den Fingern des Mädchens entwich, ihr Hals war ganz trocken.
    Wenigstens würde sie jetzt bei ihren Eltern sein.
    Als das Leben versickerte und Claras Muskeln weich wurden, kam ihre Welle aus Erinnerungen. Bilder, Erscheinungen, Gefühle, in kurzen, abgehackten Vignetten und traumähnlichen Augenblicken, und strömten gleich einer Flut in Selenas Kopf hinein, stachen sie wie mit Millionen Nadeln, als sie alles in sich aufnahm. Dieser Teil ihrer Berufung war der intimste, der schwierigste ... und doch auch der schönste.
    Schließlich wurden auch die Hände des Mädchens weich und schlaff. Ihr Atem stockte. Ihr kleines Herz kam zur Ruhe.
    Der blaue Nebel löste sich auf.
    Und Selena schloss die jungen, weisen Augen mit zwei zärtlichen Fingern und strich sich dann über die eigenen.
    Sie wusste nicht, wie lange sie da saß und auf das heitere, kleine Gesicht mit dem feinen Haar, das von den Schläfen nach hinten fiel, runterblickte und ihrer
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