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Die verlorenen Welten von Cronus

Die verlorenen Welten von Cronus

Titel: Die verlorenen Welten von Cronus
Autoren: Colin Kapp
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eine Handvoll Stifte in der Tasche gehabt hatte, als ihn der Shuttle entführte. Fast die gesamte Innenverkleidung war jetzt mit mathematischen Gleichungen und dem Entwurf seiner Autobiographie übersät, von der nur das letzte Kapitel fehlte. Es war eine Schande, dachte Niklas Boxa, daß niemand sie jemals lesen würde.
    Die Ernährung war kein Problem gewesen. Im Shuttle fanden sich sterilisierte und unverderbliche Lebensmittel für hundertundfünfzig Personen, und er war allein. Dennoch zeigte ein Teil der Lebensmittel Alterserscheinungen und war nicht zu identifizieren. Diese mied Boxa und aß nur von den Packungen, deren Inhalt mit Wasser vermischt eine vertraute Substanz ergab, und selbst davon nur in kleinen Mengen. Trinkwasser gab es in ähnlichen Mengen, aber die jahrhundertelange Lagerung in Plastikkanistern hatte ihm einen fürchterlichen Geschmack verliehen. Bevor er trank, kippte er das Wasser mehrfach von einem Behälter in den anderen und zurück, um ihm Sauerstoff zuzuführen, aber er konnte den abstoßenden Geschmack nie ganz vertreiben.
    Sein größtes Problem waren die Lampen gewesen.
    Nach der ersten Woche hatten sie immer wieder ausgesetzt und waren schließlich komplett erloschen. Das war der schlimmste Moment gewesen. Er glaubte, eine Reise von ungewisser Länge durchstehen zu können, solange er Licht und etwas zum Nachdenken hatte. Aber in absoluter Dunkelheit? Er hatte mit Händen und Schuhen – den einzigen Werkzeugen, die ihm zur Verfügung standen – vergeblich gegen die durchsichtigen Verkleidungen geklopft. Die nächsten fünf Tage hatte er versucht, im trüben Licht des Zifferblatts seiner Uhr zu leben. Schließlich mußte ein uralter Wackelkontakt wieder an seinen Platz gerutscht sein, denn die meisten Lichter gingen wieder an. In der ungewohnten Helligkeit musterte er verwundert die komplexen Gleichungen, die er, mit der Nase kaum einen Zentimeter von der Wand entfernt, auf die Innenhülle gekritzelt hatte.
    Jetzt war seine Reise zu Ende. Das Shuttle hatte einen halben Tag lang abgebremst und war schließlich gelandet. Nach einiger Zeit wurde es seitwärts aus der Exis-Speiche befördert und die Rotation heruntergefahren. In jenem Augenblick hätte er sich in eines der Sicherheitsnetze legen sollen, aber in seinem umnebelten Zustand schaffte er es lediglich, sich an jenes Ende des Shuttles zu begeben, von dem er hoffte, daß es nach dem Ende der Rotation zum Fußboden werden würde. Er behielt recht und überstand den Vorgang mit Ausnahme einer leichten Übelkeit unbeschadet. Lange Zeit geschah nichts, und er kam zu der Überzeugung, daß damit sein Schicksal besiegelt war: Ohne die künstliche Schwerkraft konnte er weder zu den Lebensmitteln und dem Wasser gelangen noch zu der Ausstiegsluke. Doch dann wurde der Shuttle gnädigerweise eine lange Spirale entlang weiterbefördert und anschließend in einem langsamen und unbeholfenen Vorgang in die Horizontale gebracht.
    Damit wartete die nächste Gefahr auf Niklas Boxa. Wenn sich die Luke öffnete – falls sie es jemals tat –, würde er der Umwelt außerhalb des Shuttles schutzlos ausgesetzt sein. Wenn Zeus mit dem Bau dieser Schale begonnen und die Arbeiten dann eingestellt hatte, bestand nur eine geringe Chance, daß dort draußen eine atembare Atmosphäre auf ihn wartete. Aus diesem Grund erwartete Boxa zu sterben, wenn sich die Luke öffnete. Fatalismus hatte von ihm Besitz ergriffen, und er stellte sich ganz nahe an die Luke, um zumindest einen kurzen Blick auf die Welt außerhalb des Shuttles zu erhaschen. Er mochte nie die Gelegenheit bekommen, den Anblick in seiner Autobiographie zu beschreiben, aber in den wenigen Augenblicken, bevor er das Bewußtsein verlieren würde, wollte er unbedingt sehen, was draußen lag.
    Eine Stunde später öffnete sich die Luke, und Boxa, der erwartete, in ein Vakuum gerissen zu werden, klammerte sich fest – grundlos, wie sich herausstellte. Er hatte sich vorgestellt, daß er ins Nichts, 325 Millionen Kilometer von der nächsten Schale, starren würde, und er wollte sehen, wie die Speiche sich zur Jupiter-Schale erstreckte. Aber es kam anders. Die unberührte Luft stach wie kalte Nadelspitzen in seiner Nase. Vor ihm lag eine gewöhnliche Shuttle-Ladestation.
    Er brauchte lange, um sich zu sammeln. Er war mit einer Situation konfrontiert, mit der er niemals gerechnet hatte, und wußte nicht, was er tun sollte. Er beschloß, von den Grundprinzipien des Überlebens auszugehen. Im Shuttle gab
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