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Die verlorene Kolonie

Die verlorene Kolonie

Titel: Die verlorene Kolonie
Autoren: Anette Strohmeyer
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durchzuziehen. Aber nicht nur dafür bewunderte ich sie. Mir war es egal, dass sie ein Landei war. Seit wir uns in einer Vorlesung für Ausgrabungstechniken angefreundet hatten, war ich ganz vernarrt in sie und ihre manchmal stille, manchmal aber auch impulsive Art.
    Das zeigte ich ihr natürlich nicht. Ich war ja schließlich nicht blöd! Nachher zerstörte ich noch unsere Freundschaft mit einer gefühlsduseligen Beichte.
    Doch in letzter Zeit hatte ich das vage Gefühl, dass auch Ben mehr für sie empfand. Untergründig machte mich das zornig. Zornig auf mich, dass ich so über Ben dachte, und zornig auf meinen besten Freund, der jede Frau haben konnte. Warum also machte er auf einmal Addy schöne Augen? Oder bildete ich mir das nur ein? Ich seufzte unwillkürlich.
    „Was ist los?“, fragte Addy plötzlich in meine unselige Grübelei hinein. „Du schaust so unglücklich.“ Sie lehnte sich vor und sah mich mit einem tiefen Blick an, der mir den Kopf schwirren ließ.
    „Ich … äh …“ Sollte ich es ihr jetzt sagen? Wir waren allein. Ich musste es irgendwann so oder so tun, von selbst schien sie ja nicht darauf zu kommen. Ich nahm all meinen Mut zusammen. „Weißt du, ich …“
    „Hey, sieh mal einer an, die Kuhfrau und der weiche Teil von Ben & Jerrys Eiscreme! Die Nüsse hat ja glücklicherweise der andere. Hä hä.“
    Ich brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, wer das gesagt hatte. Mike Catrell und Steve Humbold standen mit drei anderen Typen hinter Addy und grinsten sich einen. Sie trugen Collegejacken und hatten die Arme vor der Brust verschränkt.
    Ich wartete, bis der kalte Schauer der Furcht über mich hinweggeflossen war und sah sie erst dann an. Wieder musste ich all meinen Mut zusammennehmen, um den Kerlen die Stirn zu bieten. Catrell war zwar ein Dummkopf und nur dank seines Sportstipendiums auf dem College, aber er und seine Kumpanen waren die unangefochtenen Champs der Footballmannschaft. Sich mit ihnen anzulegen, war äußerst unklug, und wäre ich allein gewesen, so hätte ich wahrscheinlich nichts gesagt. Doch sie hatten Addy beleidigt und ich musste sie verteidigen.
    Ich bemühte mich um einen lässigen Tonfall und wünschte mir, Ben wäre hier. In Bens Anwesenheit hielten sich Catrell und Konsorten meist zurück, weil das Baseball-Ass bei den Hohlköpfen einen gewissen Respekt genoss. Ich war in ihren Augen nur ein Wurm.
    „Catrell“, sagte ich schließlich einigermaßen entschlossen, „versuch‘s doch mal dort drüben mit deinen schlechten Sprüchen.“ Ich zeigte auf den Tisch mit den College-Frischlingen. „Vielleicht lassen die sich ja von deinen Dschungelmanieren beeindrucken. Wir sind es jedenfalls nicht. Nicht wahr?“ Ich sah Addy an, die starr auf ihrem Stuhl saß. Sie hasste Mike Catrell, das wusste ich, und in Arizona hätte sie einfach ihren Colt gezogen und ihn dem Typen unter die Nase gehalten. Hier in der Großstadt aber fühlte sie sich ausgeliefert. Sie hatte nie gelernt, sich mit Worten zu verteidigen.
    „Euch Geeks mach‘ ich mit dem kleinen Finger platt. Flachbrust!“, giftete Catrell und hob eine Faust vor seinen tonnenförmigen Oberkörper. Die Faust pulsierte.
    Jetzt bloß nicht weiter provozieren , dachte ich, sonst fängst du dir eine . Ich blickte der Reihe nach in die Gesichter der Gorillaherde in Collegejacken. Eins war verkniffener als das andere.
    Warum eigentlich? , kam es mir spontan in den Sinn. Warum lasse ich mich immer von denen einschüchtern? Schlag doch einmal zurück! Noch ehe ich diesen Gedanken genauer auf seine Vor- und Nachteile prüfen konnte, stand mein Körper auf und mein Mund öffnete sich.
    „Zieh Leine, Catrell, und nimm deine Testosteron-Junkies mit. Wir wollen hier in Ruhe sitzen und nicht eurem Affengebrüll zuhören!“
    Oh, je! Hatte ich das wirklich gesagt?
    Ein Schatten verdunkelte mein Sichtfeld, als Catrell sich vor mir aufbaute. Ich konnte die roten Äderchen auf seinen Augäpfeln sehen, so nah war er mir. Sein mächtiger Kiefer mahlte und seine pulsierende Faust bohrte sich in meinen Magen. Nicht schnell, sondern ganz langsam. Die Luft blieb mir weg, und ich spürte, dass sämtliche Blicke im Speisesaal auf uns gerichtet waren.
    „Halt die Fresse, Jerry! Oder nicht nur du wirst dir eine neue Zahnversicherung zulegen müssen, sondern auch deine kleine Kuhfreundin hier.“ Catrells Zähne waren große, weiße Schilde vor einem dunklen Schlund.
    Ich stöhnte, wollte antworten, doch ich konnte kaum atmen. Das hast
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