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Die verlorene Kolonie

Die verlorene Kolonie

Titel: Die verlorene Kolonie
Autoren: Anette Strohmeyer
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Luftstreitkräfte im Ersten Weltkrieg.” Ich deutete zögernd auf das vor mir stehende Flugzeug. “Ein roter Albatros-D.V.-Doppeldecker, genau wie dieser hier ... Der einzige Unterschied ist, dass die Maschine des roten Barons keinen weißen Vogel auf dem Bug hatte.“
    „Dann ist es womöglich ein fehlerhafter Nachbau und sie haben sich mit dem Abzeichen geirrt.“ Ben zuckte mit den Schultern.
    Dieses Ding ist mit Sicherheit kein Nachbau! , dachte ich. Das ist ein Original! In mir keimte das Verlangen, das Flugzeug von Nahem zu betrachten, es anzufassen. Ich schaute mich um. Auf dem Flugfeld war noch immer keine Menschenseele zu sehen, alles wirkte wie schon seit Jahrzehnten ausgestorben. Womöglich hatte Addy recht und es handelte sich tatsächlich um einen verlassenen Flugzeugfriedhof. Seltsam war nur, dass er auf dem Satellitenbild nicht zu erkennen gewesen war, stattdessen war da nur Wald gewesen, erinnerte ich mich. Aber wer konnte ein solches Gelände als Naturschutzgebiet tarnen und dann auch noch die Satellitenkarte fälschen? Womöglich die Army. Aber keines der Flugzeuge vor dem Hangar trug militärische Kennungen. Und noch etwas fiel mir auf. Die ganze Zeit war keine einzige Möwe zu sehen und dennoch drang ihr Geschrei unentwegt an meine Ohren. Vielleicht saßen die Vögel in den Baumkronen hinter dem Flugfeld und wir konnten sie von hier aus nicht sehen.
    Mein Blick kehrte zu dem roten Doppeldecker zurück. „Ich geh mir das Ding mal ansehen!“, sagte ich und marschierte los, ohne die Antwort der beiden anderen abzuwarten. Sie würden es sowieso nicht verstehen.
    „Jerry! Bist du verrückt?“, rief mir Ben hinterher. „Was ist, wenn hier jemand Wache schiebt und uns erwischt?“
    „Dann hätte er uns längst gesehen“, rief ich unbekümmert über meine Schulter, „so, wie wir hier auf dem Präsentierteller herumstehen.“
    „Aber …“
    „Er hat recht! Los, folgen wir ihm. Ich will auch wissen, was das für ein Flugzeug ist“, hörte ich Addy hinter mir sagen und dann ihre eiligen Schritte. Kurz darauf war sie neben mir, einen erwartungsvoll gespannten Ausdruck im Gesicht. Jeder von uns schien vollkommen vergessen zu haben, warum wir eigentlich hier waren.
    Obwohl ich das Gefühl hatte, auf dem Gelände absolut allein zu sein, näherte ich mich der Maschine vorsichtig. Die letzten Schritte hielt ich sogar den Atem an, als fürchtete ich, der Doppeldecker könnte sich einfach in Luft auflösen und alles als bloße Wahnvorstellung enttarnen.
    Als ich endlich neben dem roten Rumpf stand und behutsam eine Hand hob, um ihn zu berühren, schlug mir mein Herz bis zum Hals. Dann fuhren meine Finger andächtig über die Außenhaut des Flugzeuges. Sie war erstaunlich rau.
    Addy tat es mir nach und ein verträumtes Lächeln huschte über ihre Züge. Nur Ben sah sich immer wieder besorgt um.
    „Lasst uns hier verschwinden“, quengelte er. „Das ist mir nicht geheuer.“
    Ich ignorierte seine Einwände und ging zu der Pilotenkanzel. Ob in diesem Flugzeug auch eine geheimnisvolle Kiste im Rumpf verborgen war? Ich stieg auf den unteren Flügel der Maschine, zog mich am Rand der Kanzel hoch und steckte meinen Kopf hinein.
    „He, was machst du denn da?“, fragte Ben. Er hatte ganz ungewohnte hektische Flecken im Gesicht.
    „Ich will nur was nachschauen“, erwiderte ich leichthin und beugte mich tiefer in die Pilotenkanzel. Ich wandte meinen Kopf und blickte am Sitz vorbei nach hinten in den hohlen Rumpf. Dort war neben den Seilzügen für die Leitwerke tatsächlich ein eckiger Gegenstand angebracht. Eine Metallkiste mit altmodischen Schlossschnallen! Ich schluckte aufgeregt und rutschte bäuchlings weiter in die Maschine hinein. Meine Beine schwebten in der Luft, während meine Arme nach den Schnallen angelten. Was war in der Kiste? Ich musste es wissen! Das war der einzige Gedanke, den mein Hirn jetzt noch kannte.
    Die erste Schnalle schnappte auf und ich fummelte angestrengt an der zweiten herum. Gleich hatte ich sie auf. Gleich würde ich erfahren, was in der Kiste war! Mein Zeigefinger kämpfte mit dem verrosteten Mechanismus und mein Fingernagel brach ab. Ich ignorierte den Schmerz. Gleich, gleich, gleich …
    Warum hatte ich auf einmal Selmas Liedchen im Kopf? Lachend lehnte ich mich weiter vor, um mehr Kraft aufbringen zu können, da hörte ich Bens Stimme.
    „Scheiße!“, sagte er laut. „Mensch, Jerry, komm da raus. Sofort!“
    „Gleich!“, rief ich genervt von seiner plötzlichen
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