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Die verlorene Koenigin

Die verlorene Koenigin

Titel: Die verlorene Koenigin
Autoren: Frewin Jones
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dann in einen anderen Zug umgestiegen.« Lügen! Lügen! Lügen! »Ich kann mich nicht mehr genau an alles erinnern.«
    »Wo hast du geschlafen?«, fragte ihr Vater. »Was hast du gegessen?«
    »Ich hab in Bahnhöfen übernachtet«, antwortete Tania. »Und fürs Essen hat mein Geld noch gereicht.«
    »Wo hast du diese Kleidung her?«, wollte ihre Mutter wissen. »Wir haben deine Kleider damals aus dem Krankenhaus mitgenommen. Wir wollten dir neue bringen.«
    »Ic h … ich hab sie gefunden«, sagte Tania. Das klingt ja oberlahm! Was machst du da bloß?
    »Im Krankenhaus, meinst du?«
    Tania nickte und verschaffte sich wieder einen kurzen Aufschub, indem sie sich einen Happen in den Mund schob und langsam kaute.
    Es entging ihr nicht, dass ihre Eltern einen erstaunten Blick wechselten. Es wäre fast eine Erleichterung gewesen, wenn einer von beiden ihr ins Gesicht gesagt hätte: »Du lügst doch! Sag uns die Wahrheit!«
    Sie schämte sich so sehr. Wie gern hätte sie diese alberne Lügengeschichte aufgegeben und ihren Eltern erzählt, was wirklich mit ihr passiert war, hätte von den Wundern berichtet, die sie gesehen, den Dingen, die sie entdeckt hatte, hätte gesagt, wer sie tatsächlich war. Nein! Nicht jetzt. Noch nicht. Und nicht so.
    »Du hast also herausgefunden, wo Evans Familie lebt?«, fragte ihr Vater.
    »Ja.« Sie schluckte nervös. »Und er ist mit mir nach London zurückgekehrt.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Er ist zum Hostel gegangen. Ich hab ihm gesagt, dass er keinen Ärger mit der Polizei bekommen wird.« Sie blickte von ihrer Mutter zu ihrem Vater und wieder zurück. »Das Bootsunglück war ein Unfall«, sagte sie. »Sie werden ihn doch nicht verhaften, oder? Das dürfen sie nicht.«
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte ihr Vater. »Aber es war ziemlich dumm von ihm wegzulaufen.«
    Ihre Mutter legte die Hand auf Tanias Arm. »Seid ihr zusammen zurückgekommen?«
    Tania nickte.
    »Hast du uns wirklich alles erzählt, was zwischen euch gewesen ist?«
    Tania runzelte die Stirn. »Ja«, sagte sie. »Was meinst du damit?« Sie blickte in die ängstlichen Augen ihrer Mutter und wusste genau, was diese meinte. »Mehr ist nicht passiert«, versprach sie. Wenigstens diese Frage konnte sie mit vollkommener Aufrichtigkeit beantworten.
    »Wie bist du zu dieser frühen Stunde nach London zurückgekommen?«, fragte ihr Vater. »Fahren aus Wales denn Nachtzüge?«
    »Wir sind schon spätabends angekommen«, sagte Tania. »Aber wir wollten euch nicht wecken, deshalb sind wir in den Straßen herumspaziert, bis es hell wurde.«
    »Uns wecken?«, stieß ihre Mutter hervor. »Anita, du hättest uns doch nicht geweckt! Wir haben beide nicht mehr richtig geschlafen, seit du verschwunden bist.«
    »Natürlich nicht«, sagte Tania schuldbewusst. »Es tut mir so leid, was ihr meinetwegen durchmachen musstet. So was werde ich nie wieder tu n – das verspreche ich.«
    Ihre Mutter schaute auf die Uhr an der Wand. »Jetzt müsste eigentlich schon jemand in der Schule sein. Ich werde anrufen und Bescheid sagen, dass du wieder da bist.« Sie stand auf und ging ins Wohnzimmer.
    Tania legte Messer und Gabel auf den Teller und schob ihn von sich weg, obwohl er noch fast voll war. Mit einem entschuldigenden Blick wandte sie sich an ihren Vater. »Sorry, mehr schaffe ich einfach nicht.«
    »Keine Sorge«, sagte er. »Möchtest du etwas anderes?«
    Sie lächelte müde. »Ich glaube nicht. Um ehrlich zu sein, würde ich mich am liebsten zusammenrollen und eine ganze Woche nur schlafen.«
    »Du hast ganz schön was mitgemacht!«, sagte er, setzte sich neben sie und legte ihr seine Hand auf die Wange.
    »Ich habe euch so viel Kummer bereitet«, seufzte sie. »Sicher bereut ihr schon, dass ihr mich überhaupt bekommen habt.«
    »Stimmt«, sagte er. »Am besten schicken wir dich umgehend zurück und bitten um Ersatz. Ein Mädchen, das nicht so dumm ist, einem idiotischen Jungen durchs halbe Land hinterherzujagen!«
    Die Erschöpfung legte sich auf sie wie eine Decke, die sie zu ersticken drohte. »Mach Evan keine Vorwürfe«, murmelte sie. »Es ist nicht seine Schuld.«
    »Das spielt im Moment gar keine Rolle«, sagte ihr Vater. »Du bist wohlbehalten wieder zu Hause, das ist das Einzige, was zählt.« Er verstärkte den Druck seiner Hand auf ihrer Wange und zog ihr Gesicht zu sich heran, sodass sie ihm direkt in die Augen sehen musste. Seine Miene war ernst geworden. »Du bist eine intelligente, junge Frau und du wirst schnell erwachsen«,
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