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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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es nannte – »One
    minute piece of art« zu verarbeiten, dem er den Titel »Ende einer langjährigen
    Männerfreundschaft« gab, signierte und nicht Sträubleder, sondern Blorna
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    Heinrich Böll
    Die verlorene Ehre der Katharina Blum
    schenkte, mit den Worten: »Das kannst du verscheuern, um deine Kasse ein
    bißchen aufzubessern.« Man sollte an dieser letzterwähnten Tatsache sowie an
    den eingangs beschriebenen Gewalttätigkeiten erkennen dürfen, daß die Kunst
    doch noch eine soziale Funktion hat.
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    Es ist natürlich äußerst bedauerlich, daß hier zum Ende hin so wenig Harmonie
    mitgeteilt und nur sehr geringe Hoffnung auf solche gemacht werden kann.
    Nicht Integration, Konfrontation hat sich ergeben. Man muß sich natürlich
    die Frage erlauben dürfen, wieso oder warum eigentlich? Da ist eine junge Frau
    gut gelaunt, fast fröhlich zu einem harmlosen Tanzvergnügen gegangen, vier
    Tage später wird sie – da hier nicht ge-, sondern nur berichtet werden soll, soll
    es bei der Mitteilung von Fakten belassen bleiben – zur Mörderin, eigentlich,
    wenn man genau hinsieht, auf Grund von Zeitungsberichten. Es kommt zu
    Gereiztheiten und Spannungen, schließlich Handgreiflichkeiten zwischen
    zwei sehr sehr lange befreundeten Männern. Spitze Bemerkungen von deren
    Frauen. Abgewiesenes Mitleid, ja abgewiesene Liebe. Höchst unerfreuliche
    Entwicklungen. Ein fröhlicher, weltoffener Mensch, der das Leben, das Reisen,
    Luxus liebt – vernachlässigt sich so sehr, daß er Körpergeruch ausströmt! Sogar
    Mundgeruch ist bei ihm festgestellt worden. Er bietet seine Villa zum Verkauf
    an, er geht zum Pfandleiher. Seine Frau sieht sich »nach etwas anderem um«,
    da sie sicher ist, in der zweiten Instanz zu verlieren; sie ist sogar bereit, diese
    begabte Frau ist bereit, wieder als bessere Verkäuferin mit dem Titel »Beraterin
    für Innenarchitektur« zu einer großen Möbelfirma zugehen, aber dort läßt man
    sie wissen, »daß die Kreise, an die wir üblicherweise verkaufen, genau die Kreise
    sind, gnädige Frau, mit denen Sie sich überworfen haben«. Kurz gesagt: es sieht
    nicht gut aus. Staatsanwalt Hach hat Freunden bereits im Vertrauen zugeflüstert,
    was er Blorna selbst noch nicht zu sagen gewagt hat: daß man ihn als Verteidiger
    möglicherweise wegen erheblicher Befangenheit ablehnen wird. Was soll daraus
    werden, wie soll das enden? Was wird aus Blorna, wenn er nicht mehr die
    Möglichkeit hat, Katharina zu besuchen und mit ihr – man sollte es jetzt nicht
    länger verschweigen! – Händchen zu halten. Kein Zweifel: er liebt sie, sie ihn
    nicht, und er hat nicht die geringste Hoffnung, denn alles, alles gehört doch ihrem
    »lieben Ludwig«! Und es muß hinzugefügt werden, daß »Händchen-Halten« hier
    eine vollkommen einseitige Sache ist, denn es besteht lediglich darin, daß er,
    wenn Katharina Akten oder Notizen oder Aktennotizen hinüberreicht, seine
    Hände auf ihre legt, länger, vielleicht drei-, vier- höchstens fünfzehntel Sekunden
    länger als üblich wäre. Verflucht, wie soll man hier Harmonie herstellen, und
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    nicht einmal seine heftige Zuneigung zu Katharina veranlaßt ihn, sich – nun
    sagen wir einmal – ein bißchen häufiger zu waschen. Nicht einmal die Tatsache,
    daß er, er allein die Herkunft der Tatwaffe herausgefunden hat – was Beizmenne,
    Moeding und ihren Helfern nicht gelang –, tröstet ihn. Nun ist »herausgefunden«
    vielleicht zuviel gesagt, es handelt sich um ein freiwilliges Geständnis von
    Konrad Beiters, der bei dieser Gelegenheit zugab, er sei ein alter Nazi, und
    dieser Tatsache allein verdanke er es wahrscheinlich, daß man bisher auf ihn
    nicht aufmerksam geworden sei. Nun, er sei politischer Leiter in Kuir gewesen
    und habe seinerzeit etwas für Frau Woltersheims Mutter tun können, und, nun,
    die Pistole sei eine alte Dienstpistole, die er versteckt, aber dummerweise Else
    und Katharina gelegentlich gezeigt habe; man sei sogar einmal zu dreien in den
    Wald gefahren und habe dort Schießübungen veranstaltet; Katharina habe sich
    als sehr gute Schützin erwiesen und ihn drauf aufmerksam gemacht, daß sie
    schon als junges Mädchen beim Schützenverein gekellnert habe und gelegentlich
    mal habe ballern dürfen. Nun, am Samstagabend habe Katharina ihn um seinen
    Wohnungsschlüssel gebeten mit der Begründung, er müsse doch verstehen, sie
    wolle einmal allein sein, ihre eigene Wohnung
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