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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen
Autoren: Bastei Lübbe
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aber das Stadtfloß kippte um und versank dann gänzlich in einem Mahlstrom, der viele Kilometer landeinwärts lief.
    »Opfer?«
    »Dankenswert wenige, da wir den Ort evakuiert hatten undsich die meisten Einwohner weiter im Binnenland befanden oder mit den Schiffen auf hoher See.«
    »Und im Norden?«
    Die dortige Woge krachte auf die Felsenküste, krallte sich ihren Weg an Berghängen hinauf und zog sich wieder zurück. An weniger gebirgigen Küstenstreifen drang sie tiefer ins Land vor, aber man fand dort nur wenige Siedlungen. Amistad entdeckte jedoch einen Kapuzler, der in weiß schäumendem Wasser zappelte und von diesem aufs Meer hinausgezerrt wurde.
    »Rettungsschiffe sind unterwegs, und wir erhalten Vorräte und Hilfspersonal durch das Flint-Runcible.«
    All das fiel im Grunde nicht unter Amistads Zuständigkeit, aber für das, was vor ihm lag, war er verantwortlich.
    Eine kleine Insel war aus dem Meer gestiegen, im Zentrum eine Caldera von der Form eines Dreiviertelmondes. Abkühlendes Magma dampfte auf einem Berghang an der Hörnerseite. Die Sichtverhältnisse waren nicht toll, aber gut genug, damit Amistad etwas Schwarzes weit oben auf diesem Hang erblickte, wo das ausströmende Magma eine massive Kruste gebildet hatte. Es war so etwas wie ein Seeigel zu sehen, der sich an einen Unterseefelsen klammerte.
    »Penny Royal?«, fragte Amistad, hatte aber jede Abwehr hochgefahren und hielt sich für alles bereit, was vielleicht im Gefolge einer Antwort anstürmte.
    Nichts.
    Die Drohne bremste mithilfe von Manövriertriebwerken ab, aber da der Gravomotor nicht richtig lief, landete sie hart weiter unten am Hang. Amistad stolperte durch Lava von der Konsistenz zähen Haferbreis, kletterte auf die sich härtende Kruste, spürte sie brechen, kletterte weiter, bis er festen Boden unter sich hatte, blieb stehen und schüttelte nacheinander gerinnendes Gestein von allen Beinen.
    Weiter oben hatte sich Penny Royal verändert und verbreitertesich zu einer dreieckigen Matte aus Stacheln, wobei er allmählich den Hang zur Kante der Caldera hinauffloss. Amistad stelzte hinter der schwarzen KI her und durchsuchte dabei panisch sein Waffenarsenal. Die eine oder andere Rakete konnte sicherlich abgefeuert werden, und außerdem war die Partikelkanone gerade wieder online gegangen. Ob das reichte? Vielleicht behielt er die KI am besten einfach im Blick und wartete auf Verstärkung? Nein. Falls Penny Royal den achten Bewusstseinszustand neu geladen hatte, brauchte er vielleicht einige Zeit für die Integration und es bestand eine gute Chance, dass er in diesem Augenblick verwundbar war.
    »Penny Royal!«, rief Amistad und kraxelte weiter hangaufwärts. Er kam nur langsam voran, da seine Beine immer wieder durch die Kruste des aushärtenden Gesteins brachen.
    Weiter oben erreichte die schwarze KI den Kraterrand, ballte sich zusammen und dehnte sich dann in die Höhe, bis sie einen Dornenbaum bildete. Vielleicht eine gute Gelegenheit: Jetzt eine Rakete, und das Ding landete in der Caldera. Vielleicht wollte Penny Royal das; vielleicht verfügte er noch über genug Verstand, um zu wissen, dass er nicht wieder das sein wollte, was er einst gewesen war?
    »Du hast gelogen«, flüsterte Penny Royal und schwenkte Amistad ein Arsenal von Stacheln zu, die beunruhigend nach Eiszapfen mit Augen aussahen.
    »Ist das so ungewöhnlich?«, fragte Amistad und bewegte sich in einem Bogen vorsichtig ebenfalls zum Rand der Caldera hinauf, gerade zehn Meter von Penny Royal entfernt. Er warf einen kurzen Blick über die Kante. Das Magma da unten war noch ganz schön heiß, aber er brauchte vermutlich sein ganzes Arsenal, wenn er Penny Royal lange genug darin festhalten wollte.
    »Bin zornig … besorgt.«
    Hm?
    »Warum hast du ihn aufbewahrt?«
    »Wissenschaftliches Interesse.«
    Die Stacheln rückten abrupt näher, fuhren auf Hälsen aus geflochtenen Tentakeln heran. Wollte Penny Royal hier oben ein körperliches Handgemenge veranstalten und dann ein Holmes-und-Moriarty-Ende im Feuer dort unten haben? Amistad visierte den Felsen unterhalb der Stelle an, wo sich die schwarze KI verankert hatte, suchte eine Rakete mit chemischem Sprengsatz aus und lud sie.
    »Das Interesse hat sich erledigt«, sagte Penny Royal.
    Die schwarze KI verschob ihre Position, wobei sich die Stacheln kräuselten, glitt zur Seite und legte das frei, worauf sie gehockt hatte. Dort lag die gepanzerte Kugel, die Acht enthielt, ungeöffnet.
    Wie das Kindermodell einer Hand
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