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Die Vergessenen

Die Vergessenen

Titel: Die Vergessenen
Autoren: Bastei Lübbe
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gewöhnen müssen«, sagte Jem.
    Beide drehten sich um und sahen ihn fragend an.
    »Jeremiah, was meinst du damit?«, fragte Sanders.
    Was meinte er damit? Nur weil ein Atheter sich im Körper einer Schnatterente wiedererweckt hatte, hieß das noch nicht, dass alle Schnatterenten aufhören würden, Tiere zu sein, oder? Er durchsuchte diese Erinnerungen an Erinnerungen. Die Atheter hatten ein Gegenstück zu den Verstärkern gekannt, wie Menschen sie benutzten, waren aber weitergegangen und hatten sie in den Körper integriert. Sie teilten über diese organischen Transceiver im Schädel Informationen, verarbeiteten diese in anderen Organen und absorbierten sie fast unbewusst. Im Schädel führten sie permanente Verbindungen zur virtuellen Welt ihres Volkes mit, und diese Fähigkeit war vom Mechanismus nicht gelöscht worden; tatsächlich hatten die Atheter selbst diese Fähigkeit nicht als etwas vom natürlich entwickelten Körper Getrenntes aufgefasst und auch nicht als etwas, das abgekoppelt oder gelöscht werden sollte.
    »Schnatterenten reden Nonsens«, sagte er, »aber warum verwenden sie dafür unsere Wörter?«
    Grant und Sanders starrten ihn weiter an, verwirrt inzwischen. Sie konnten es nicht erkennen, und in diesem Augenblick wurde Jem klar, dass niemand es bislang erkannt hatte.
    »Eine Schnatterente, weit draußen in der Wildnis angetroffen, die im ganzen Leben noch nie Kontakt zu Menschen hatte, wird unsere Wörter sprechen.«
    »Das … stimmt«, sagte Sanders.
    Er las ihr im Gesicht ab, dass sie allmählich kapierte.
    »Sie sind wie Menschen in einem Verstärkernetzwerk, wobei die Verstärker organischer Bestandteil des Gehirns sind«, erklärte Jem. »Zwei Millionen Jahre lang bestand dieses Netzwerk lediglich aus den Bewusstseinseinheiten von Tieren; dann trafen Menschen hier ein. Wer weiß, welche Funk- oder Mikrowellenkanäle den Verstand einer Schnatterente öffnen? Jedenfalls wurde ganz Masada mit Signalen überflutet, als wir hier eintrafen. Wahrscheinlich haben uns die Schnatterenten schon in dem Augenblick reden gehört, als der erste Funksender von Menschen auf diesem Planeten in Betrieb ging.«
    Grant akzeptierte das mit einem Nicken und deutete dann auf die große Schnatterente. »Aber das da?«
    »Jetzt ist ein echter Atheterverstand in dem Netzwerk aktiv, der entweder bewusst oder unbewusst Signale sendet, für die die Empfänger gemacht sind. Ich vermute, dass sich das, was wir bei unserem Freund dort sehen, auf dem ganzen Kontinent wiederholt.«
    Die Schnatterente legte das Projekt, an dem sie arbeitete, unvermittelt weg, stemmte sich auf die Beine und starrte scheinbar mit raubtierhafter Konzentration zu den Menschen herüber. Nicht sie jedoch hatten ihre Aufmerksamkeit gefunden, sondern Blitz, der gerade die Seitentür des Gravovans aufriss und einstieg und mit der Flakpistole seines Vaters ins Cockpit zielte.
    Die Zeit verlangsamte sich für Jem. Im Hintergrund sah er die Schnatterente auf allen vieren herandonnern, wobei sie große Klumpen wurzelstockgebundener Erde emporschleuderte, während in der Nähe Grant eine Hand verstohlen zur Scheibenpistole bewegte, die er im Holster mitführte. Draußen schleppte sich Sharn, der die leblosen Beine nachzog, auf die Fahrzeugtür zu, die Kleidung nass von Blut. Offenkundig war es der Bruder Kalash gewesen, der mit Ripple-John ums Leben gekommen war.
    Jem reagierte.
    Er durchquerte die Entfernung innerhalb einer Sekunde und war sich während jedes Sekundenbruchteils bewusst, wie Blitz den Finger am Abzug spannte. Jem schlug die Waffe zur Seite; der Schuss stanzte ein Loch in die Flanke des Gravovans, und Metallstücke prallten ab. Dann drückte er den Lauf der Waffe nach oben, schlug mit der anderen Hand zu, brach damit Blitz’ Griff an der Pistole, rammte dem Mann den Ellbogen ans Brustbein und stieß ihn weg, sodass er stolperte und stürzte. Jem bückte sich jetzt durch die Tür, schlug die Waffe weg, die Sharn gerade gezogen hatte, packte diesen am Kragen und zerrte ihn ins Fahrzeug.
    »Bring uns hier weg, sofort!«, blaffte er im Umwenden.
    Inzwischen hatte Grant die Scheibenpistole gezogen, glotzte aber nur mit offenem Mund.
    »Sofort, habe ich gesagt!«, setzte Jem hinzu.
    Grant legte sich die Waffe auf den Schoß und zog das Fahrzeug hoch. »Das war schnell«, sagte er, ohne recht zu wissen, auf wen oder was er damit Bezug nahm.
    Jem blickte am Lauf der Flakpistole entlang seine beiden Gefangenen an. Blitz wirkte nach wie vor
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