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Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande

Titel: Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
Autoren: R.A. Salvatore
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ebenfalls auf und stellte sich neben ihn. Sanft legte sie ihm den Arm um die Schultern und beugte sich zu ihm.
    »Verabscheust du mich?«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    Noch nicht, dachte Entreri, sprach es aber nicht aus. Doch falls ich es je tun sollte, werde ich dir ein Schwert ins Herz stoßen.
    Er zwang diese Gedanken aus seinem Kopf und legte die Hand auf Calihyes Hand, dann warf er ihr einen Seitenblick zu und versuchte beruhigend zu lächeln.

Teil Eins
    Gratwanderung

 
     
    Ob sie wohl immer noch beisammen sind, immer noch Seite an Seite unterwegs, die Hand stets nahe dem Griff der Wa f fe, ebenso sehr, w ü rde ich annehmen, um sich gegenei n ander zu verteidigen, wie gegen andere Feinde?
    Ich muss oft an diese beiden denken, an Artemis Entreri und Jarlaxle. Selbst bei den Aktivit ä ten von K ö nig Obould und seinen Ork-Horden, selbst mitten im Krieg und bei aller Gefahr f ü r Mithril-Halle, legen meine Gedanken h ä ufig die Meilen in Entfernung und Zeit zur ü ck, und vor meinem geistigen Auge steht ein Bild dieses seltsamen Paars.
    Warum interessiert es mich eigentlich?
    Was Jarlaxle angeht, so ist da stets der Gedanke, dass er einmal meinen Vater kannte, dass er neben Zaknafein durch die Stra ß en von Menzoberranzan ging, vielleicht ganz ä h n lich, wie er nun auf den Stra ß en der Oberfl ä che neben A r temis Entreri einher schreitet. Ich wusste immer, dass dieses seltsame Gesch ö pf ü ber eine Komplexit ä t verf ü gt, die sich den ü blichen Erwartungen entzieht, die jemand an einen Drow hat – selbst denen, die ein Drow gegen ü ber dem and e ren hegt. Ich finde Jarlaxles Komplexit ä t tr ö stlich, denn sie erinnert mich daran, dass es Individualismus gibt. Ang e sichts meines dunklen Erbes erlaubt mir h ä ufig nur dieser Glaube an den Individualismus, bei Verstand zu bleiben. Nicht mein Erbe engt mich ein, sondern meine Elfenohren und meine kohlschwarze Haut. Und obwohl ich mich oft als Opfer der Erwartungen anderer sehe, k ö nnen sie mich doch nicht wirklich definieren, einschr ä nken oder beherrschen, solange ich wei ß , dass es keine rassische Wahrheit gibt, dass die Wahrnehmungen, die andere davon haben, was ich sein soll, nichts mit der Wahrheit dessen zu tun haben, wer ich bin.
    Jarlaxle hat dies noch einmal best ä tigt, hat mich aufs Deutlichste daran erinnert, dass jeder von uns ü ber eine Pers ö nlichkeit verf ü gt, die ä u ß eren Einschr ä nkungen trotzt. Er ist einzigartig, daran besteht kein Zweifel, und wah r scheinlich ist das gut so, denn die Welt k ö nnte nicht zu viele von seiner Art verkraften.
    Aber ich w ü rde l ü gen, wenn ich behauptete, dass mein Interesse an Artemis Entreri sich nur aus seiner Verbi n dung zu der Best ä tigung ergibt, die Jarlaxle f ü r mich da r stellt. Selbst wenn Jarlaxle ins Unterreich zur ü ckgekehrt w ä re und den Meuchelm ö rder seiner einsamen Existenz ü berlassen h ä tte, w ü rde ich Entreri – das muss ich zugeben – regelm äß ig meine Gedanken zuwenden. Ich bemitleide ihn nicht, und ich m ö chte mich nicht mit ihm anfreunden. Ich erwarte weder seine Erl ö sung noch seine Rettung und keine Bu ß e f ü r die oder Abweichung von der extremen Eige n sucht, die seine Existenz kennzeichnet. In der Vergange n heit habe ich sogar angenommen, dass Jarlaxles Gegenwart sich positiv auf ihn auswirken k ö nnte, zumindest insofern, als dass der Drow Entreri wahrscheinlich demonstrieren kann, wie leer sein Leben ist.
    Aber das ist nicht der wahre Grund daf ü r, dass ich an den Meuchelm ö rder denke. Nicht in Hoffnung wende ich ihm so h ä ufig meine Gedanken zu, sondern in Furcht.
    Ich f ü rchte nicht, dass er mich erneut suchen wird, um abermals mit mir zu k ä mpfen. Wird das geschehen? Vie l leicht, aber ich f ü rchte es nicht, ich scheue nicht davor z u r ü ck und mache mir deshalb keine Gedanken. Wenn er mich sucht, wenn er mich findet, wenn er eine Waffe gegen mich zieht, dann soll das eben so sein. Es wird ein weiterer Zwe i kampf in einem Leben der K ä mpfe sein – offenbar f ü r uns beide.
    Aber nein, der Grund, wieso Artemis Entreri zu einem so regelm äß igen Bestandteil meiner Gedanken wurde, und zwar verbunden mit Furcht, liegt darin, dass er mich daran erinnert, was ich h ä tte sein k ö nnen. Ich habe in der Dunke l heit von Menzoberranzan eine Gratwanderung zwischen O p timismus und Verzweiflung vollzogen, auf einem Weg zwischen Hoffnung und Nihilismus. H ä tte ich mich dem Letzteren ergeben,
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