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Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande

Titel: Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
Autoren: R.A. Salvatore
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Goldmünzen! Der Junge hatte schon von diesen goldenen Münzen gehört, aber noch nie welche gesehen. Er hatte nur einmal einen kurzen Blick auf eine silberne werfen können, die ein Fremder seinem Vater, Belrigger, gegeben hatte, damit er mit seiner Mutter hinter den Vorhang gehen durfte.
    Aber nun sah er zum ersten Mal Gold. Seine Mutter hatte Gold in der Hand!
    Wie aufregend das gewesen war – aber nur für kurze Zeit. Dann hatte Shanali, seine Mutter, ihn grob an den Schultern gepackt und ihn in den Griff des wartenden dicken Mannes geschoben. Der Junge wand sich und versuchte sich zu entziehen. Er wollte diesen verschwitzten Armen entkommen, wollte, dass seine Mutter ihm sagte, um was es hier ging.
    Aber als es ihm endlich gelang, sich zu ihr umzudrehen, war sie bereits dabei davonzugehen.
    Er rief nach ihr. Er flehte. Er fragte, was das zu bedeuten habe.
    »Wo gehst du hin?
    Warum bin ich noch hier?
    Warum hält er mich fest?
    Mama-hal!«
    Und sie drehte sich tatsächlich um, aber nur kurz. Nur lange genug, dass er ihre tief liegenden, traurigen Augen ein letztes Mal sehen konnte.
    »Artemis?«
    Er schüttelte die Erinnerungen ab und schaute Calihye an. Sie wirkte gleichzeitig amüsiert und besorgt. Seltsam besorgt.
    »Willst du den ganzen Morgen mit einer Flöte in der Hand und der Hose um die Knöchel dasitzen?«
    Die Frage riss ihn endgültig aus seinen Gedanken, und erst jetzt erkannte er, dass er tatsächlich Idalias Flöte in den Händen hielt, dieses magische Instrument, das die Drachenschwestern ihm gegeben hatten. Und ja, Calihye hatte recht, seine Hose hing immer noch um seine Knöchel. Er legte die Flöte neben sich aufs Bett – oder wollte es tun, aber er stellte fest, dass er sich noch nicht dazu durchringen konnte. Mit dieser Erkenntnis kam jedoch eine plötzliche Kraft, und er ließ die Flöte fallen, stand rasch auf und zog die Hose hoch.
    »Was ist es also?«, sagte Calihye, und er sah sie fragend an. »Was ist es, das einen so perfekten Krieger wie Artemis Entreri hervorbringt?«
    Wieder musste er an Memnon denken. Ein Bild von Belrigger blitzte vor ihm auf, und er spürte, wie er zusammenzuckte.
    Er erkannte, dass er die Flöte wieder in der Hand hatte.
    Tosso-poshs lüsternes und beinahe zahnloses Grinsen tauchte vor ihm auf, und er warf die Flöte aufs Bett.
    »Übung? Disziplin?«, fragte Calihye.
    Entreri riss sein Hemd vom Stuhl und ging an ihr vorbei.
    »Zorn«, sagte er in einem Ton, der dafür sorgte, dass sie keine weiteren Fragen stellen würde.
     
    Es war nur ein weiterer rechteckiger Kasten aus Lehmziegeln in einem Meer ähnlicher Häuser, eine wenig bemerkenswerte Behausung von einem Dutzend Fuß Breite und einem halben Dutzend Tiefe. Wie beinahe alle Häuser hier hatte es an der dem Meer zugewandten Seite ein Vordach, da der Seewind in der gnadenlosen Hitze Memnons die einzige Erleichterung bot. Es gab keine Innenwände, die das Haus unterteilten. Ein fadenscheiniger Vorhang trennte einen Schlafbereich ab, in dem seine Mutter und sein Vater, Shanali und Belrigger – oder Shanali und jemand, der Belrigger bezahlt hatte – schliefen. Für den Jungen blieb nur der Fußboden des Hauptraums. Einmal, als zu viele Insekten um ihn herumgekrochen waren, war der Junge auf den Tisch geklettert, um dort zu schlafen, aber Belrigger hatte ihn dort gefunden und heftig für diesen Verstoß geschlagen.
    Die meisten Schläge waren im Dunst der Jahre verschwommen, aber an diese Prügel konnte sich Artemis deutlich erinnern. Belrigger war noch betrunkener gewesen als sonst und hatte mit einem verfaulten alten Brett auf Rücken und Hinterteil des Jungen eingedroschen, und davon waren mehrere Splitter in Artemis’ Pobacken geblieben, die zu Infektionen und zu weißem und grünlichem Eiter führten, der tagelang floss.
    Shanali hatte diese Wunden mit einem feuchten Tuch gewaschen. Daran erinnerte er sich. Sie hatte ihm den Hintern sanft und mit mütterlicher Liebe abgewischt, und selbst ihr Tadel dafür, dass er so dumm gewesen war, sich nicht an Belriggers Regeln zu halten, hatte mitleidig geklungen.
    War das das letzte Mal gewesen, dass Shanali ihn freundlich behandelt hatte? War dies die letzte angenehme Erinnerung an seine Mutter?
    Die Frau, die ihn ein paar Monate später zu der Kaufmannskarawane gebracht hatte, schien kaum mehr die gleiche Person gewesen zu sein. Selbst körperlich war sie an diesem schicksalhaften Tag verändert gewesen, hatte blass und abgehärmt ausgesehen, und sie
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