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Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Titel: Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
Autoren: R. A. Salvatore
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anderen Stämme denselben Respekt hervorrufen, den er bereits bei seinem Volk genoß, und Heafstaag stürzte sich schnell auf jeden Vorteil, den er erlangen konnte.
    Es war keineswegs so, daß er im Hengorot Ärger erwartete. Er hatte große Achtung vor Beorg. Schon zweimal war er auf dem Feld der Ehre dem König des Wolf Stammes begegnet, ohne einen Sieg davontragen zu können. Falls Beorgs Plan wirklich so vielversprechend war, wie es den Anschein hatte, würde Heafstaag mitmachen und lediglich darauf bestehen, die Führerschaft mit dem blonden König zu teilen. Die Idee, daß die Stammesangehörigen nach der Eroberung der Städte ihr Nomadenleben beenden könnten und mit Knöchelkopfforellen Handel treiben würden, interessierte ihn nicht. Aber er war bereit, Beorg seine Träume zu lassen, solange sie ihm selbst den Nervenkitzel der Schlacht und Sieg brachten. Erst einmal würden sie plündern und die Wärme während des langen Winters genießen können, und dann würde man immer noch das ursprüngliche Einverständnis ändern und die Beute umverteilen können.
    Als die Lichter der Lagerfeuer in Sicht kamen, beschleunigte die Kolonne ihren Schritt. »Singt, meine stolzen Krieger!« befahl Heafstaag. »Singt mit Begeisterung und aus vollem Halse! Sollen jene, die sich versammelt haben, beim Erscheinen unseres Stammes erzittern!«
    Beorg spitzte bei Heafstaags geräuschvollem Kommen die Ohren. Da er die Taktik seines Rivalen gut kannte, war er nicht im geringsten überrascht, draußen in der Nacht die ersten Töne des Liedes an Tempus zu hören. Der blonde König reagierte unverzüglich, sprang auf seinen Tisch und rief die Versammelten auf, zu schweigen und ihm zuzuhören.
    »Horcht, Männer des Nordens!« schrie er. »Denkt an die Herausforderung in diesem Lied!«
    Sofort brach im Hengorot ein Durcheinander aus, als die Männer sich von ihren Plätzen erhoben und sich zu ihren Stämmen stellten. Alle stimmten ein und sangen den gleichen Kehrreim über den Kriegsgott, mutige Taten und das glorreiche Sterben auf dem Feld der Ehre. Dieses Lied wurde jedem Barbarenjungen beigebracht, sobald er die ersten Worte stammeln konnte, denn das Lied an Tempus galt als Maßstab für die Stärke eines Stammes. Nur jene Zeile, in der die Sänger genannt wurden, unterschied sich bei den einzelnen Stämmen. Jene Zeilen sangen die Krieger auch mit zunehmender Lautstärke, denn die Herausforderung des Liedes bestand darin, festzustellen, welcher Ruf an den Kriegsgott Tempus am deutlichsten zu ihm drang.
    Heafstaag führte seine Männer direkt zum Eingang des Hengorot. In der Halle übertönte der Gesang vom Wolfstamm offenkundig den aller anderen, aber Heafstaags Krieger waren der Lautstärke von Beorgs Männern gewachsen.
    Angesichts der Vorherrschaft der Wölfe und Elche verstummten die kleineren Stämme nacheinander. Zwischen den zwei übriggebliebenen Stämmen zog sich die Herausforderung noch eine Weile hin, denn keiner war bereit, unter den Augen der Gottheit den Wettstreit aufzugeben. In der Honigweinhalle legten die Männer der geschlagenen Stämme nervös die Hände an ihre Waffen. Auf den Ebenen war schon mehr als ein Krieg ausgebrochen, weil der Gewinner bei einem Kräftemessen mit diesem Lied nicht eindeutig zu bestimmen gewesen war.
    Schließlich wurde der Eingang zum Zelt geöffnet, und Heafstaags Fahnenträger trat ein. Es war ein junger Mann, hochgewachsen und stolz, und seine aufmerksamen Augen musterten alles um ihn herum sehr sorgfältig und täuschten so über seine Jugend hinweg. Er setzte ein Horn aus Fischbein an die Lippen und blies einen klaren Ton. Die Tradition verlangte es, daß beide Stämme gleichzeitig mit dem Gesang aufhörten.
    Der Fahnenträger schritt durch die Halle auf den gastgebenden König zu. Seine Augen blieben unverwandt und ohne zu blinzeln auf Beorgs eindrucksvolles Gesicht gerichtet und achteten auf jede Einzelheit seines Mienenspiels. Heafstaag hat seinen Herold sehr gut ausgewählt, fand Beorg, der sich der Prüfung sehr wohl bewußt war.
    »Gütiger König Beorg«, begann der Fahnenträger, nachdem sich die Unruhe gelegt hatte, »und auch ihr anderen versammelten Könige. Der Elchstamm bittet um Erlaubnis, das Hengorot betreten und Honigwein mit euch teilen zu dürfen, damit wir gemeinsam auf Tempus trinken können.«
    Beorg musterte den Fahnenträger etwas länger als üblich, um herauszufinden, ob er die Gemütsruhe des Jugendlichen mit dieser unerwarteten Verzögerung erschüttern
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