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Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Titel: Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
Autoren: R. A. Salvatore
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konnte.
    Aber der Herold blinzelte weder, noch wandte er den durchdringenden Blick ab, und auch das Kinn hielt er weiterhin entschlossen und zuversichtlich emporgereckt.
    »Gewährt«, antwortete Beorg beeindruckt. »Schön, daß wir uns treffen.« Dann murmelte er ganz leise: »Eine Schande, daß Heafstaag nicht über deine Geduld verfügt.«
    »Ich kündige Heafstaag, König des Elchstammes, an«, rief der Fahnenträger mit klarer Stimme, »Sohn von Hrothulf dem Starken, der da war ein Sohn von Angaar dem Unerschrockenen; dreifacher Töter des großen Bären; zweifacher Eroberer von Termalaine im Süden, Held des Krieges, der einst Raag Doning, König des Bärenstammes, im Zweikampf mit einem einzigen Hieb erschlug...« (Diese Erinnerung rief nervöses Scharren beim Bärenstamm hervor und insbesondere bei König Haalfdane, dem Sohn von Raag Doning.)
    Der Fahnenträger fuhr noch einige Zeit fort und zählte jede Tat, jede Ehre und jeden Titel auf, und damit alle Verdienste, die Heafstaag während seiner langen und glanzvollen Laufbahn erworben hatte.
    So wie die Herausforderung durch das Lied ein Wettstreit zwischen den Stämmen war, war das Aufzählen der Titel und Taten ein persönlicher Wettstreit zwischen den Männern, insbesondere zwischen den Königen, deren Mut und Kraft sich direkt auf ihre Krieger auszuwirken schien. Diesen Augenblick hatte Beorg gefürchtet, denn die Liste seines Rivalen war länger als seine. Er wußte, daß Heafstaag unter anderem deswegen als letzter gekommen war, weil die Aufzählung seiner Verdienste allen Anwesenden vorgetragen wurde, also auch den Männern, die bei ihrer Ankunft vor einigen Tagen Beorgs Fahnenträger in Privataudienzen gehört hatten. Es war der Vorteil des Gastgeberkönigs, daß er seine Liste jedem Stamm vorlesen lassen konnte, während die Fahnenträger der Gastkönige nur bei ihrer unmittelbaren Ankunft zu den anwesenden Stämmen sprechen durften. Dadurch, daß er als letzter gekommen war, nachdem sich alle anderen Stämme bereits eingefunden hatten, hatte Heafstaag ihm diesen Vorteil zunichte gemacht.
    Endlich war der Fahnenträger fertig und ging durch die Halle zum Zelteingang zurück, um seinem König die Plane aufzuhalten. Heafstaag schritt zuversichtlich durch das Hengorot auf Beorg zu.
    Wenn Männer auch schon von der Aufzählung seiner mutigen Taten beeindruckt waren, dann wurden sie gewiß nicht durch seine Erscheinung enttäuscht. Der rotbärtige König war über zwei Meter groß, und sein faßförmiger Körper ließ im Vergleich sogar Beorg wie einen Zwerg erscheinen. Die Narben aus vielen Kämpfen trug er stolz zur Schau. Ein Rentier hatte ihm mit dem Geweih ein Auge herausgerissen, und seine linke Hand war bei einem Kampf mit einem Eisbären hoffnungslos verkrüppelt worden. Der König des Elchstammes hatte mehr Schlachten erlebt als jeder andere in der Tundra, und seinem Auftreten nach zu urteilen, war er bereit und begierig, weitere aufzunehmen.
    Die zwei Könige musterten sich ernst, und keiner von ihnen blinzelte oder wandte auch nur eine Sekunde den Blick ab.
    »Wolf oder Elch?« stellte Heafstaag schließlich die Frage, die angemessen war, wenn die Herausforderung durch das Lied unentschieden geblieben war.
    Beorg achtete genau darauf, die richtige Antwort zu geben. »Schön, daß wir uns treffen, und gut gekämpft«, erwiderte er. »Sollen die scharfen Ohren von Tempus entscheiden, wenn wohl auch selbst der Gott in Bedrängnis kommt, eine Entscheidung zu treffen.«
    Nachdem die Förmlichkeiten ordentlich erledigt waren, wich die Spannung aus Heafstaags Gesicht. Er lächelte seinen Rivalen breit an. »Schön, daß wir uns treffen, Beorg, König des Wolf Stammes. Es tut gut, dich zu sehen und nicht mein Blut, wie es die Spitze deines tödlichen Speers befleckt!«
    Heafstaags freundliche Worte überraschten Beorg. Einen besseren Beginn für den Kriegsrat hätte er sich nicht erhoffen können, und er erwiderte das Kompliment mit gleicher Inbrunst. »Und daß ich mich nicht vor dem sicheren Hieb deiner grausamen Axt ducken muß!«
    Das Lächeln verschwand jedoch schlagartig von Heafstaags Gesicht, als er den dunkelhaarigen Mann an Beorgs Seite bemerkte. »Welches Recht aufgrund von Mut oder Blut hat dieser schwächliche Südländer, daß er sich in der Honigweinhalle von Tempus aufhält?« wollte der rotbärtige König wissen. »Sein Platz ist bei seinesgleichen oder bestenfalls bei den Weibern!«
    »Vertraue mir, Heafstaag«, erklärte Beorg.
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