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Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall

Titel: Die vergessenen Welten 01 - Der gesprungene Kristall
Autoren: R. A. Salvatore
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bärtigen Gesichter sonnengebräunt und die Haut vom ständigen Wind rissig. Das verlieh ihren Gesichtern ein lederartiges, zähes Aussehen, das Ähnlichkeit hatte mit einer unheilvollen, ausdruckslosen Maske, die Außenseiter von sich wies. Die Nomaden verachteten die Bewohner von Zehn-Städte, die sie für Schwächlinge hielten, die nur an der Anhäufung von Reichtum und an keinerlei geistigen Werten interessiert waren.
    Dennoch war bei jener Versammlung einer dieser Schwächlinge in ihrer heiligsten Versammlungshalle anwesend. An Beorgs Seite stand deBernezan, ein dunkelhaariger, unscheinbarer Südländer und der einzige Mann, der nicht bei den Barbaren geboren und aufgewachsen war. Er hielt wie in Abwehr die Schultern hochgezogen, während er sich nervös umschaute. Ihm war sehr wohl bewußt, daß die Barbaren von Außenseitern nicht übermäßig begeistert waren und daß jeder von ihnen, selbst der jüngste, ihn mit einer lässigen, ruckartigen Handbewegung in zwei Stücke zerreißen konnte.
    »Ruhig Blut!« ermahnte Beorg den Fremden. »Heute abend wirst du ein paar Honigweinkrüge mit dem Wolfstamm leeren. Wenn sie deine Angst spüren...« Er beendete den Satz nicht, aber deBernezan wußte, wie Barbaren mit Schwächlingen umgingen. Der kleine Mann holte tief Luft und richtete die Schultern auf.
    Doch auch Beorg war nervös. König Heafstaag war sein Hauptrivale in der Tundra und führte eine Streitmacht, die so einsatzfreudig, diszipliniert und groß war wie seine eigene. Im Unterschied zu den üblichen Überfällen plante Beorg die totale Eroberung von Zehn-Städte. Danach sollten die überlebenden Fischer versklavt werden und dann weiterhin ihre Arbeit auf den Seen verrichten, so daß die Barbaren von den Einnahmen ein gutes Leben führen konnten. Beorg sah für sein Volk eine Chance, das unsichere Nomadenleben aufzugeben und ein Maß an Wohlstand zu erlangen, das sie bisher nicht gekannt hatten. Jetzt hing alles von Heafstaags Zustimmung ab, jenem brutalen König, der nur an persönlichem Ruhm und an erfolgversprechenden Plünderungen interessiert war. Beorg wußte, daß er sich bei einem Sieg über Zehn-Städte zu guter Letzt mit seinem Rivalen auseinandersetzen mußte, denn der würde nicht einfach von seinem leidenschaftlichen Blutdurst lassen, mit dem er an die Macht gekommen war. Doch das war eine Brücke, die er als König des Wolfstamms erst später zu überqueren hatte; das vorrangige Problem war erst einmal die Eroberung von Zehn-Städte, und falls Heafstaag es ablehnte, sich an dem Vorhaben zu beteiligen, würden sich die kleineren Stämme spalten und zwischen den beiden Lagern aufteilen. In dem Fall konnte bereits am nächsten Morgen ein Krieg ausbrechen. Das würde sich für das ganze Volk verheerend auswirken, denn die Barbaren, die diesen Krieg überlebten, würden sich anschließend einem erbarmungslosen Kampf mit dem Winter ausgesetzt sehen. Die Rentiere waren schon längst zu den südlichen Weiden aufgebrochen, und die Höhlen, die auf dem Weg dorthin lagen, waren nicht mit Vorräten gefüllt worden. Heafstaag war ein listiger Anführer. Er wußte, daß bei einer Entscheidung so spät im Jahr die Stämme gezwungen waren, den Plan in die Tat umzusetzen, doch Beorg fragte sich, welche Bedingungen sein Rivale wohl stellen würde.
    Doch vorerst tröstete er sich mit der Tatsache, daß unter den versammelten Stämmen bis jetzt keine schwerwiegenden Konflikte ausgebrochen waren. An diesem Abend war die Stimmung im Hengorot brüderlich und vergnügt, und jeder Bart war schaumbedeckt. Beorg hatte darauf gesetzt, daß die Stämme angesichts eines gemeinsamen Feindes und der Aussicht auf anhaltenden Wohlstand vereint werden könnten. Und bisher war alles gut verlaufen . . .

    Aber das Scheusal Heafstaag blieb der Schlüssel zu allem.
    Die schweren Stiefel von Heafstaags Kriegern ließen den Boden erzittern, als sie entschlossen heranmarschierten. Der riesengroße, einäugige König führte den Zug, und seine kraftvollen Riesenschritte wiesen ihn deutlich als Nomaden der Tundra aus. Neugierig auf Beorgs Vorschlag und argwöhnisch wegen eines möglichen frühen Wintereinbruchs hatte sich der König entschieden, die kalten Nächte geradewegs durchzumarschieren und nur für kurze Pausen anzuhalten. Obwohl Heafstaag in erster Linie für seine Grausamkeit in der Schlacht bekannt war, war er ein Anführer, der jeden Schritt sorgfältig abzuwägen wußte. Der eindrucksvolle Marsch würde bei den Kriegern der
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