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Die Vergessenen Schriften IV

Die Vergessenen Schriften IV

Titel: Die Vergessenen Schriften IV
Autoren: Markus Heitz
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… sahen sie wirklich nicht, Dsôn Aklán, doch wir … hörten sie. Sie rannten in der Nacht vorbei, als wäre ein … Dämon hinter ihnen her“, berichtete sie stockend. „Unsere Männer entzündeten Feuer, um die Tiere davon abzuhalten, durch unser Dorf zu jagen und alles niederzutrampeln.“
    „Und wann war das?“
    „Gestern, Dsôn Aklán.“
    „Und wann in der Nacht?“
    Lutinas grüne Augen ruckten hin und her, sie dachte hastig nach.
    Du suchst nach Ausflüchten. Ich kann in deinem hässlichen Gesicht lesen wie in einem Buch. „Welchen Mond hatten wir gestern?“, setzte Tirîgon nach.
    „Wir hatten …“ Die Barbarin geriet ins Stammeln.
    „Welches Wetter herrschte?“
    „Es war …“ Erneut kam sie ins Stocken.
    Tirîgon lehnte sich nach vorne. „Ist das so schwer, Lutina? War die Nacht klar oder regnete es? Stieg Nebel empor? Denke nach!“
    „Kein Nebel. Glaube ich. Und …“ Ihre dürren Hände umklammerten das Holz, sie taumelte. „Und es war …“
    „Warte. Ich weiß, wie deine Erinnerung besser wird. Ein Schluck Wasser hilft meist.“ Tirîgon verstaute die Flasche, senkte seine Lanze blitzschnell und durchbohrte die Schulter der Frau. Er spießte sie daran auf und schleuderte die Kreischende durch eine Drehung des Nachtmahrs gegen die Brunneneinfassung.
    Mit einem neuerlichen Schrei kippte sie über die Mauer und landete nach einem kurzen Flug klatschend im Wasser; ihre Hilferuf und ihr Gewimmer klangen hohl und voller Angst.
    „Nun? Reinigt das Wasser bereits deinen Verstand von den Lügen, die du mir auftischen wolltest?“, rief er zu ihr hinab.
    Nun flogen die Türen der umliegenden Katen auf, und flehende Frauen drängten sich aus den Eingängen, ohne recht zu wissen, was sie unternehmen sollten. Ihre Gesichter spiegelten die Furcht wider, der Anblick der zähnefletschenden Nachtmahre und gerüsteten Albae hielt sie in Zaum.
    Lediglich zwei junge Barbaren, die kaum schon als Männer bezeichnet werden konnten, kamen ungestüm herangerannt, entweder um Lutina zu helfen oder um sich vor ereifernder Wut auf die Angreifer zu stürzen.
    Doch Saphaînas Pfeile durch ihre Oberschenkel bremsten sie abrupt, und stöhnend landeten sie auf der Erde.
    „Dieses Dorf“, rief Tirîgon laut und richtete die blutige Lanzenspitze auf die umstehenden Barbarinnen, „verheimlicht mir etwas. Meine Krieger und ich werden nicht eher weichen, bis wir das Geheimnis gelüftet haben. Zu lange würde ich an eurer Stelle nicht warten, sonst verbluten die beiden Helden, und Lutina ersäuft jämmerlich im Brunnen. Und danach – wer weiß, wer danach alles sein Leben von euch verliert!“
    Die hässlichen Weiber starrten ihn aus tumben Augen an, die Münder standen vor Entsetzen offen, was sie noch mehr wie Tiere wirken ließ. Aus den offenen Türen drang der Gestank ihrer Behausungen. Schweiß, Essengerüche, Viehmist mengte sich zu einem Geruch, der allergrößten Abscheu in Tirîgon auslöste. Ziegen und Schafe blökten leise in ihren Verschlägen, zwei Hunde schlugen an und wollten sich nicht mehr beruhigen.
    Gerade griff er erneut auf seine angeborene Kraft zurück, um Furcht in die Herzen der Dörfler zu pressen und sie in die Knie zu zwingen, als Hécailôr pfiff und im nächsten Moment schmerzerfüllt aufschrie. Dessen Nachtmahr wieherte und verstummte daraufhin.
    „Hécailôr?“ Tirîgon sah den Krieger nicht mehr, der irgendwo zwischen den Katen verloren gegangen war. Mit einem Wink sandte er zwei Albae aus, um nach ihm zu suchen, während er die rotfeucht schimmernde Lanzenklinge auf einen der liegenden jungen Barbaren richtete. „Seid ihr wahnsinnig geworden? Niemand wird am Leben bleiben, wenn ihr es wagtet, die Hand gegen uns zu erheben“, sprach er kalt. „Eure Männer werden von den Feldern auf einen Friedhof zurückkehren!“ Das Pack fordert die Strafe geradezu heraus.
    Ein leises Sirren erklang, und ein schlanker, weißer Pfeil prallte schräg gegen sein Visier und zerbrach.
    Die Wucht des Aufschlags zwang Tirîgons Kopf zur Seite, mehr geschah ihm nicht. Elben! Sie lauerten uns im Dorf auf. Er riss den Nachtmahr herum und jagte mit klopfendem Herzen die Straße hinab, dorthin, von wo das Geschoss gekommen war. Das war knapp! Beinahe wäre ich in die Endlichkeit eingegangen!
    Er sah die hochgewachsene Gestalt des Widersachers auf einem der schiefen Dächer stehen und den nächsten Pfeil auflegen. Er trug eine braune Lederrüstung, darunter ein knielanges Gewand, Lederhosen und
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