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Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube

Titel: Die vergessene Sonne - Ride, C: Die vergessene Sonne - The Inca Cube
Autoren: Christopher Ride
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Sauerstoffgehalt in dieser Höhe musste man sich erst gewöhnen, aber die unangenehmen Begleiterscheinungen würden verschwinden, sobald sich Wilson in einigen Tagen akklimatisiert hatte.
    Die ganze Zeit über musste er an die Kreuzigung denken. Wenn der Gang der Geschichte so drastisch vom Plan abwich, würde sich die Situation vielleicht noch mehr verschlechtern. Oft hing der weitere Verlauf der Ereignisse nur von einer Kleinigkeit ab, und Wilson wusste, dass jedes Eingreifen riskant war. Er musste äußerst vorsichtig sein, um den Geschehnissen nicht den Stempel seiner Anwesenheit aufzudrücken, zumindest nicht mehr als nötig.
    Wilson dachte an die hellbraunen Augen, die ihn aus der Menschenmenge heraus beobachtet hatten. Der durchdringende Blick war ihm unheimlich gewesen. Es waren die Augen einer Frau, da war er sicher, und sie hatte ihn nicht nur aus Neugier fixiert. Sonderbarerweise hatte er gespürt, dass diese Frau da war – wie das möglich war, konnte er sich nicht erklären. Doch er hatte genau gewusst, wo sie stand, und sie mühelos in all den Gesichtern gefunden. Dann war die Frau verschwunden wie eine Schlange im Wasser, was für ihn ebenfalls ein Hinweis darauf war, dass sie irgendetwas im Schilde führte. Die unerwarteten Umstände ließen ihm keine andere Wahl: Er musste schnellstmöglich zu Hiram Bingham und dann auf den Machu Picchu. Er durfte keine Zeit verlieren.
    Der Parque de la Madre war ein hübscher Platz in der Nähe der Nueva Alta und nach dem gleichen Muster angelegt wie die Plaza de Armas, ebenfalls quadratisch, aber viel kleiner. An drei Seiten standen ungefähr fünfzehn traditionelle zweigeschossige Reihenhäuser mit niedrigen Innenhöfen und einem schmalen Balkon im Obergeschoss.
    Das Haus war nicht weit von der Kathedrale entfernt, aber Wilson wechselte zwanzig Minuten lang mehrmals die Richtung und lief etliche Seitenstraßen ab, um sicher zu sein, dass ihm niemand folgte. Schließlich näherte er sich dem Parque de la Madre von Norden und sah sich ein letztes Mal um. Nachdem er sich des Datums versichert hatte, fand er mühelos das Haus unter den anderen und ging darauf zu. Er wusste, wie es Bingham zurzeit ging, und dadurch würde es nicht schwer sein, dessen Vertrauen zu gewinnen.
    Über der Tür des weiß getünchten Hauses hing ein handgemaltes Schild, auf dem »Pan Am Scientific Congress« zu lesen war. Vier Esel standen davor, im Regen und an ein Holzgeländer gebunden. Mit ihren Futtersäcken vor dem Maul schienen sie zufrieden zu sein, obwohl sie völlig durchnässt waren.
    Wilson schob einen der Esel sanft beiseite und betrat den Treppenabsatz vor der Haustür, neben der auf beiden Seiten Abfallhaufen lagen, der übliche Hausmüll, Zeitungen und zahlreiche Konservendosen. Wilson warf einen näheren Blick auf eine der Zeitungen. Es war eine New York Times vom Juli 1907, was ein halbes Jahr zurücklag. Direkt neben ihm bewegte sich etwas, und er zuckte erschrocken zusammen. Doch es war bloß eine Katze, die an ihm vorbeihuschte und auf ein Geländer sprang.
    Während er laut an die Tür klopfte, überlegte er, dass sie mit einem kräftigen Tritt leicht aus den Angeln zu brechen wäre. Ungeduldig klopfte er ein zweites Mal, diesmal noch energischer. Durch die Ecke des bleiverglasten Fensters sah er eine Öllampe brennen. Er stieg auf einen der Abfallhaufen und spähte durch das unebene Glas. Drinnen saß ein Mann mit dem Rücken zum Fenster an einem schlichten Schreibtisch. Als Wilson die verbeulte Messingklinke drückte, stellte er fest, dass nicht abgeschlossen war, stieß die Tür auf und trat ins Licht.
    Der kleine Raum war vollgestopft und unordentlich. Sechs Lederrucksäcke lagen auf dem Boden, und Pappkartons waren kreuz und quer aufeinandergestapelt und warfen bizarre Schatten. Drei Springfield-Gewehre lehnten am Schreibtisch, und daneben stand eine Holzkiste mit glänzenden.30-Patronen. Zwei schmutzige Matratzen standen an der nackten Wand und sahen aus, als würden sie jeden Moment umkippen. Es hing ein beißender Geruch in der Luft, vermutlich vom Rauch der Öllampe, die auf einem Karton mit der Aufschrift »Ölsardinen« stand. Die Decke war geschwärzt, ebenso wie Wände und Bodendielen.
    »Sind Sie Hiram Bingham?«, fragte Wilson.
    Ohne sich zu rühren, fragte der Mann am Schreibtisch: »Wer will das wissen?« Sein Akzent war eindeutig amerikanisch.
    »Ich habe nach Ihnen gesucht«, gab Wilson zurück.
    Der Mann legte sorgsam seine Feder hin und schraubte
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