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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
Autoren: Ines Thorn
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ausschenken. Dem kann mein Bruder einfach nicht widerstehen. Ab sofort werden wir dafür den sauren Wein vom anderen Rheinufer verwenden.»
     
    Gleich am nächsten Morgen begab sich Gustelies auf den Markt, um zu erfahren, wo es den billigsten und sauersten Wein der Gegend zu kaufen gab.
    Als Erstes suchte sie ihre Freundin Jutta Hinterer auf, die am Römerberg eine Geldwechselstube betrieb.
    Es war noch immer kalt, und Gustelies hatte sich ihr Tuch fest um den Hals gewickelt, doch der Wind blies ihr hart ins Gesicht, die Kälte zwickte in die Wangen. Die Straßen waren zwar so bevölkert wie an jedem Markttag, doch die kleinen Grüppchen, die sich an den Straßenecken sonst versammelten, um Neuigkeiten auszutauschen, fehlten. Auch die Brunnen, wo sich normalerweise Trauben von Mägden aufhielten, lagen heute verlassen. Die Frankfurter versteckten sich in dicken Umhängen und hasteten mit geduckten Schultern und ängstlich darauf bedacht, auf dem vereisten Pflaster nicht auszugleiten, durch ihre Stadt.
    Auch Gustelies kam ins Rutschen, konnte sich aber gerade noch an einem Mauervorsprung festhalten. Empört hämmerte sie gegen die Tür, von der die Eisspur mitten auf die Straße führte. Eine junge Frau mit schnippischer Miene öffnete ihr. «Was gibt es denn?», fragte sie.
    Gustelies deutete auf die Eisspur. «Ihr habt heute Morgen Euer Waschwasser auf die Gasse gekippt.»
    «Na und?»
    «Na und, na und! Es ist kalt. Das Wasser ist gefroren, und ich hätte mir um ein Haar den Fuß gebrochen.»
    Die junge Frau zuckte gleichgültig mit den Schultern. «Ist das meine Schuld? Dann schaut, wohin Ihr Eure Füße setzt.»
    Mit einem Knall flog die Tür wieder zu.
    Gustelies holte tief Luft und rief so laut, dass es die ganze Gegend hören konnte: «Wenn Ihr schon Euer Waschwasser auskippt, dann streut wenigstens Asche auf das Eis, damit niemand hinfällt. Ich werde mich beim Rat beschweren, weil Ihr Eurer Bürgerpflicht nicht nachkommt.»
    «Ja, zeigt sie nur an. Verdient hat sie es. Und grüßen kann sie auch nicht», mischte sich eine Nachbarin ein, aber Gustelies hob nur die Hand und eilte weiter.
    In der Wechselstube von Jutta stand ein gusseisernes Becken, in dem einige Kohlestücke glühten. Jutta selbst hatte sich in ein Schaffell gehüllt, trug zwei Hauben übereinander und saß auf einem Schemel.
    «Sitzt du bequem?», fragte Gustelies nach der Begrüßung ein wenig säuerlich. Sie war es gewohnt, dass Jutta aufstand und sie umarmte.
    «Ja, das tue ich. Und unter meinen Röcken habe ich einen heißen Stein, der mir die Füße wärmt. Komm, setz dich mir gegenüber und stell deine Füße dazu.»
    Gustelies kicherte und schüttelte den Kopf. «Wie sieht das denn aus?»
    «Wie soll das schon aussehen? Wie zwei Frauen mit einem heißen Stein zwischen den Beinen. Außerdem kommt sowieso keiner. Zu dieser Zeit gibt es nur wenig Fremde in der Stadt, die Rheinische Gulden in Frankfurter Währung gewechselt haben wollen. Was gibt es sonst Neues bei dir?»
    «Nicht viel. Nur, dass Pater Nau gestern den Messwein ausgetrunken hat und ich jetzt auf der Suche nach dem sauersten Wein der ganzen Gegend bin.»
    Jutta kicherte. «Denkst du wirklich, das hält ihn vom Trinken ab?»
    «Ich hoffe es wenigstens.»
    «Na, ich an deiner Stelle würde mir nicht so viel Arbeit machen. Gieß einfach ein bisschen Essig in den Wein, dann ist er sauer genug.»
    «In den guten aus Dellenhofen?»
    Jutta zuckte gut gelaunt mit den Achseln. «Natürlich, was denn sonst. Wenn schon der gute Wein nicht mehr schmeckt, merkt Nau vielleicht, dass die Wahrheit womöglich doch nicht im Fass liegt.»
    Gustelies nickte gedankenverloren. «Das Problem dabei ist nur, dass ich dann auch die saure Plörre zum Abend trinken muss.»
    «Da hast du recht. Du kannst ja mal zum Bauern Hilgert in die Vorstadt gehen. Ich habe gehört, er keltert heimlich. Die Trauben dafür nimmt er vom Lohrberg, der eigentlich dem Rat gehört. So etwas Saures wie den Lohrbergwein habe ich noch nie getrunken. Brrr.» Jutta schüttelte sich.
    Dann strich sie sich mit der flachen Hand über ihre Wange. «Siehst du was, meine Liebe?», fragte sie.
    Gustelies suchte mit Blicken das Gesicht ihrer Freundin ab. «Ich weiß nicht, was du meinst», erwiderte sie. «Ich sehe nur, dass deine Haut glatt und weich ist, während meine von der Kälte rot und geschunden aussieht. Ich wette, wenn der Frühling kommt, ist mein Gesicht um Jahre gealtert.» Sie seufzte. «Früher habe ich geglaubt,
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