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Die verborgene Seite des Mondes

Die verborgene Seite des Mondes

Titel: Die verborgene Seite des Mondes
Autoren: Antje Babendererde
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einmal.«
    »Das klingt nicht begeistert.«
    »Salt Lake ist eine merkwürdige Stadt«, sagte er. »So sauber wie kaum eine andere, aber auch seltsam steril. Jemand wie ich wird dort von allen angestarrt.«
    Julia lächelte. Sie wusste, wie sehr Simon es hasste, angestarrt zu werden.
    Die Gegend wurde wieder fruchtbarer und die Besiedlung dichter. Ganz offensichtlich näherten sie sich Salt Lake City. An der Tankstel le hatte Simon einen Stadtplan gekauft und ausfindig gemacht, in welchem Stadtteil das Krankenhaus stand, in das der alte Mann mit seiner Kopfverletzung gebracht worden war.
    Die Metropole lag in einem Tal am Fuße bewachsener Berge, die sich dunkel über der Stadt erhoben – den Wasatch Mountains. Ein großes, im Renaissance-Stil errichtetes Gebäude mit grün schim mernder Patina auf der Kuppel thronte gut sichtbar auf einem Hü gel. Später erfuhr Julia, dass es das Kapitol war, der Oberste Ge richtshof des Staates Utah.
    Den Stadtplan auf dem Schoß, versuchte Julia, Simon den Weg zu zeigen, doch es war schwierig für sie, sich zurechtzufinden. Sie fuhren durch einen Bezirk, in dem sich ein Mormonentempel an den anderen reihte. Julia kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mo derne Hochhäuser aus Stahl und Glas neben Backsteinbauten aus dem neunzehnten Jahrhundert. Riesige Grünanlagen mit Blumen und imposanten Springbrunnen. Es war zu viel, Julia brummte der Kopf.
    Simon kämpfte sich fluchend durch den Nachmittagsverkehr und irgendwann entdeckten sie es endlich, das IS-Center, das Chirurgi sche Zentrum von Salt Lake City. Es war ein riesiger moderner Ge bäudekomplex zwischen weitläufigen Parkanlagen. Dank der guten Ausschilderung fanden sie schnell bis vor das Trauma-Zentrum, ein weißes, sechsstöckiges Gebäude. Simon lenkte den Jeep auf den Parkplatz und stellte den Motor ab.
    Als sie aus dem Wagen stiegen, erwischte sie die Hitze wie eine schwere Wand. Simon stöhnte. Er hatte Kopfschmerzen und schon während der Fahrt durch die Stadt hatte er gerochen, dass Tommys Hosen voll waren. So konnten sie ihn nicht mit ins Krankenhaus nehmen. Zuerst musste er dem Jungen auf dem Rücksitz die Win deln wechseln.
    Anschließend nahm er Tommy huckepack, schloss den Jeep ab und nickte Julia zu. Gepeinigt von Schmerzen, lagen Simons Nerven allmählich blank. Nach der langen, eintönigen Fahrt durch die flim mernde Salzwüste hatte ihm der ungewohnte Stadtverkehr den Rest gegeben. Julia hatte wie gebannt aus dem Fenster gesehen statt auf die Karte und sie waren eine gute Stunde lang umhergeirrt, bevor sie den Weg zum Krankenhaus endlich gefunden hatten.
    Tommy klammerte sich an Simons Hals wie ein Äffchen. Er hatte Angst. Als der Junge ihm unbeabsichtigt mit dem Bein in die verletz te Seite stieß, ging Simon beinahe vor Schmerz in die Knie. Julia be merkte es nicht. Sie schützte ihre Augen vor der gleißenden Sonne und strebte geradewegs auf den Eingang des Krankenhauses zu.
    In der Eingangshalle war es angenehm kühl und Simon entspannte sich ein wenig. Überall standen riesige Grünpflanzen und bequeme Ledersessel. Die Stimmen der Leute, die sich in der Halle aufhielten, vernahm er nur gedämpft.
    »Warte mit Tommy hier«, sagte Julia zu ihm. »Ich versuche heraus zufinden, wo Grandpa ist.«
    Erleichtert ließ Simon Tommy von seinem Rücken gleiten und setzte sich in einen der Sessel. Ihm wurde bewusst, dass von ver schiedenen Seiten neugierige Blicke auf ihm und dem Jungen ruh ten, der wie immer nur mit seinen Shorts bekleidet war.
    Simon hatte am Morgen seine besten Hosen angezogen, eine na gelneue Jeans ohne Löcher. Aber dass er saubere Sachen trug, konn te Tommys aufsehenerregenden Anblick nicht wettmachen.
    Wie er es verabscheute, so angestarrt zu werden. Wie unerträg lich er die Stadt fand, in der jemand wie er sich immer schmutzig fühlen würde. Er fragte sich, wie Dominic hier leben konnte. Und er wusste, dass er nicht länger hierbleiben würde, als es unbedingt notwendig war.
    Endlich kam Julia zurück.
    »Zweiter Stock, Chirurgie 5«, sagte sie. »Sie sagen, er liegt nicht mehr auf der Intensivstation.«
    Ihre Augen leuchteten in einem dunklen Türkis, der Farbe, die Si mon besonders schön und verwirrend fand.
    »Na, das sind doch endlich mal gute Nachrichten.«
    Als sie die Station 5 betraten, stellte sich ihnen eine energische Oberschwester in den Weg. Sie überragte Simon um einen ganzen Kopf, trug ein weißes Häubchen und hatte Hände so groß wie Bä renpranken.
    »Wo soll’s
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