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Die verborgene Seite des Mondes

Die verborgene Seite des Mondes

Titel: Die verborgene Seite des Mondes
Autoren: Antje Babendererde
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die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Dominic wohnt am Rand von Salt Lake. Ich hoffe, dass er zu Hause ist, dann kann ich meine Sachen bei ihm unterstellen.«
    »Ich wollte nicht wissen, was aus deinen Sachen wird, Simon. Was wirst du tun?«
    »Ich muss mir was suchen, wo ich bleiben kann.«
    Die Hilflosigkeit, die in seiner Stimme war, machte Julia Angst. »Du willst wirklich nicht zurück auf die Ranch gehen?«, fragte sie. »Auch nicht, wenn meine Großeltern dich brauchen?«
    »Für mich ist es besser, nichts zu wollen.« Simon nahm ihre Hände. »Ich kann nicht zurückgehen, Julia. Nicht mehr nach allem, was ge schehen ist. Jason hasst mich. Eines Tages wird er seine Drohung wahr machen.«
    »Aber wenn wir Grandma erzählen, dass er auf dich geschossen hat, dann wird sie ihn bei der Polizei anzeigen und er kommt ins Ge fängnis.«
    »Julia«, sagte Simon eindringlich, »werd endlich wach. Deine Groß mutter wird Jason nicht anzeigen. Er ist ihr Enkelsohn.«
    »Dann wird Grandpa es tun. Er kann nicht wollen, dass du weg gehst. Er mag dich.«
    Simon blickte zu Boden. »Wir wissen ja nicht einmal, ob dein Großvater wieder auf die Beine kommt. Seine Verletzung war so schwer, dass . . .«
    »Ich weiß, dass er wieder gesund wird«, unterbrach sie ihn.
    »Vielleicht. Aber auch dein Großvater wird Jason nicht der Polizei ausliefern, weil er nur zu gut weiß, wie es im Gefängnis ist. Er hat mir erzählt, wie sie ihn geschlagen haben, bis er fast taub war. Boyd wird sein eigen Fleisch und Blut nicht in die Hölle schicken.«
    »Aber die Ranch, das ist dein Zuhause«, wollte sie sagen, doch dann wurde ihr ernüchternd klar, dass das nicht mehr stimmte. Die Ranch war kein sicherer Ort mehr für Simon.
    Sie schluckte gegen ihre Tränen an und verlor den Kampf. »Dann müssen wir jetzt packen?« Julia erhob sich, aber Simon hielt sie fest.
    »Ich möchte dich um etwas bitten«, sagte er.
    »Und worum?«
    »Um einen Tag.«
    »Einen Tag?« Verwundert blickte sie ihn an.
    »Lass uns einfach noch einen Tag in der Hütte bleiben. Wir können nichts ändern, Julia. Was geschehen ist, ist geschehen, und was passie ren wird, wird sowieso passieren. Aber wir können noch diesen einen Tag für uns haben. Natürlich nur, wenn du es auch wirklich willst«, füg te er hinzu. »Morgen früh brechen wir dann nach Salt Lake City auf.«
    In Julia kämpfte es. Sie wusste, dass Simon recht hatte. Ihre Mut ter würde außer sich sein. Aber wie konnte sie Simon diese Bitte ab schlagen? Seinen verzweifelten Versuch, das Unaufhaltsame aufzu halten. Wo sie doch am liebsten für immer mit ihm hier in den Ber gen geblieben wäre.
    »Gut«, sagte sie. »Meine Ma wird mich zwar umbringen dafür, aber das ist es mir wert.«
    Da sie sich wegen Tommy nicht weit von der Hütte entfernen konnten, setzten sie sich an den Rand des warmen Beckens, tauschten Küsse und redeten. Julia stellte behutsame Fragen und Simon offenbarte sich, wie er es noch nie zuvor einem anderen Menschen gegenüber getan hatte. Er wunderte sich selbst, wie mühelos ihm all diese Dinge über die Lippen kamen, die er so tief aus seinem Inneren hervorholen musste.
    Simon erzählte Julia, dass er mal einen ganzen Sommer über in ei nem Schafstall in den Bergen gehaust hatte wie ein halb gezähmtes Tier. Die Lebensweise der Menschen hatte ihn abgestoßen, er hatte nicht mehr nach den Regeln der anderen leben wollen.
    »Ich hatte genug von ihren unbedachten Worten, die so glatt von ihren Lippen kamen. Worte, die verdreht, gebrochen und in Lügen verwandelt wurden – je nachdem, wie es ihnen beliebte. Worte vol ler Wut.«
    Dort, wo Liebe und Vertrauen sitzen sollten, war lange Zeit nur ei ne leere Stelle gewesen, ein schwarzes Loch. Simon wollte nieman den gern haben, weil er Angst hatte, man könnte ihm wehtun, wenn er sich nicht so verhielt, wie es von ihm erwartet wurde.
    »Aber du bist zurückgekommen«, stellte Julia fest.
    »Ja. Das Experiment ist gescheitert. Ich musste akzeptieren, dass ich ein Teil von allem bin.«
    Sie lächelte. »Ich bin so froh, dass du das akzeptiert hast. Sonst würde ich jetzt in Kalifornien am Strand sitzen und hätte dich nie mals kennengelernt.«
    Um die Mittagszeit aßen sie einen Happen und Simon fütterte Tommy, der sich anschließend wieder ohne Murren in den Jeep set zen ließ. Es war erstaunlich, wie gut er den Ortswechsel verkraftete, und Simon war froh über den Frieden, den der Junge ihnen gönnte. In der warmen Nachmittagssonne
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