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Die verborgene Grotte

Die verborgene Grotte

Titel: Die verborgene Grotte
Autoren: dtv
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zogen wir erst einmal zu Deinen Großeltern.
    Krabbsjögrund ist ein wunderschönes Städtchen, aber als Fremder ist es nicht leicht, dort zu leben. Vor allem nicht, wenn der Sommer in den Herbst übergeht. Alle wissen alles von Dir, aber niemand spricht mit einem. Ich fühlte mich dort nie richtig zu Hause. Alles war so anders, als ich es gewohnt war, aber das war nicht der Grund, warum ich Euch so plötzlich
verlassen habe. Überhaupt nicht. Es ging mir nicht darum, mich vor der Verantwortung zu drücken, aber ich fürchte, das ist die Erklärung, die Du bislang bekommen hast.
    Die Wahrheit ist, dass ich die Entscheidung zu gehen damals nicht selbst getroffen habe. Wenn es nach mir gegangen wäre, würden wir beide uns kennen. Dann hätten wir uns jeden Tag gesehen.
    Ich kann und darf Dir nicht alles erklären, es würde Dich auch noch nach all den Jahren in Gefahr bringen. Trotzdem will ich versuchen, Dir so viel zu erzählen, dass Du hoffentlich dennoch verstehen kannst, warum ich tun musste, was ich getan habe. Aber es ist wichtig, dass Du niemandem etwas davon verrätst. Solange keiner etwas weiß, bist Du sicher. Vertraue niemandem.
     
    Alles begann damit, dass ich eines Tages mit meiner neuen Ausrüstung, darunter eine fantastische kleine Boje, die Deine Mutter mir geschenkt hatte, an den Badesteg zum Tauchen ging. An diesem Tag machte ich eine Entdeckung, die ich niemals hätte machen dürfen. Ich sah einen Ort, den ich besser nie gesehen hätte.
    Aber damals war mir das nicht bewusst, und als ich wieder auftauchte, erzählte ich einem Mann, der am Steg stand, von meinem sagenhaften Fund.
    Doch ausgerechnet dieser Mann hätte nie davon erfahren dürfen.
    Er machte mir sofort und unmissverständlich klar, dass ich das, was ich gesehen hatte, sofort wieder vergessen musste. Aber er verlangte noch mehr: Ich sollte mit meinem Geheimnis schnellstens aus Krabbsjögrund verschwinden, so weit weg, wie es nur ging. Ohne mich zu verabschieden. Denn wenn ich das nicht tun würde, nun   … lass es mich so sagen: Er drohte mir, Dir etwas anzutun, Deiner Gesundheit und der Deiner Mutter Schaden zuzufügen   – ebenso wie der Deiner Großeltern.
    So zwang mich also ein einflussreicher, angesehener Bürger mit seinen Drohungen, die Stadt und damit auch Euch zu verlassen, weil ich etwas gesehen hatte, von dem ich bis heute nicht wirklich weiß, was es war. Ich reiste noch in derselben Nacht ab. Ohne Erklärung. Um Dich und deine Mama zu schützen.
    Du kennst Deine Mutter. Hätte ich ihr etwas gesagt, hätte sie Himmel und Hölle in
Bewegung gesetzt und ihr alle wärt in Lebensgefahr geraten.
    Es war die schwerste Entscheidung, die ich je treffen musste, und ich kann verstehen, wenn Du mir nicht glaubst. Aber ich wollte Dir wenigstens erzählen, wie es wirklich gewesen ist. Du bist alt genug, um die Wahrheit zu hören, geh behutsam mit ihr um.
    Ich nehme an, dass Deine Mutter keinen der Briefe, die ich ihr geschrieben habe, je gelesen hat. So wie ich sie kenne, wird sie auch dieses Mal meinen Brief an sie ignorieren. Ich bin mir sicher, dass sie noch immer unfassbar wütend auf mich ist. Sie ist so stolz. Aber wer weiß, vielleicht werde ich doch irgendwann die Chance bekommen, ihr alles zu erklären.
     
    In der Hoffnung, Dich eines Tages kennenzulernen
    Jean-Philippe Huguen,
    Dein Vater
     
    Ekwall! Hinter all dem konnte nur Ekwall stecken! Jetzt wurde Karl alles klar! »…   Deiner Gesundheit und der Deiner Mutter Schaden zuzufügen«   – das konnte nur Doktor Ekwall gewesensein! Und der Ort, den sein Vater damals entdeckt hatte, konnte auch nur der Verbindungsgang zwischen dem Meer und der Grotte unter der Fabrikantenvilla gewesen sein. Der Gang, der zu Pilkins’ totem Körper führte. Der Beweis für   … für das, was auch immer dort wirklich geschehen sein mochte.
    Doktor Ekwall. Überall schien er seine Finger im Spiel zu haben, sogar in Karls Vergangenheit.
    Aber jetzt, in diesem Augenblick, spielte das keine Rolle. Jetzt, in diesem Augenblick, zählte nur eins. Dass er, Karl Dymling, endlich erfahren hatte, wer er war. Woher er kam. Dass er einen Vater hatte, der trotz allem an ihn dachte. Einen Vater, der ihn treffen wollte. Der Sehnsucht nach ihm hatte. Irgendwo auf der Welt, vielleicht in Neuseeland.
    Langsam las er den Brief noch einmal. Dann faltete er ihn zusammen und steckte ihn in seine Brusttasche, ganz nah an sein Herz. Er hatte einen Papa. Einen richtigen Vater.
    Und eine Mama. Irgendwann
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