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Die verborgene Grotte

Die verborgene Grotte

Titel: Die verborgene Grotte
Autoren: dtv
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Quelle mit besonderem Wasser. Wieder andere sind davon überzeugt, dass man beides braucht, Becher und Quelle.«
    Miriam gab Karl ein Zeichen, ihr in Pilkins’ Bibliothek zu folgen. Mit einer ausladenden Gestezeigte sie auf ein Regal voller alter, staubiger Bücher.
    »All das sind Bücher zu diesem Thema. Pilkins muss sein ganzes Leben nach der Quelle der Jugend geforscht haben.«
    Sie zog einen dicken Wälzer aus dem Regal und schlug ihn auf. Eine Staubwolke stieg auf und Karl musste husten.
    »In manchen Büchern steht, dass der eigene Körper auf magische Weise verjüngt wird«, erklärte Miriam. »Manche behaupten aber auch, man müsse einen jüngeren Körper finden, von dem man Besitz ergreifen kann.«
    Karl fragte sie, zu welchem Schluss Pilkins gekommen war.
    »Das werden wir wohl nie herausfinden«, antwortete Miriam. »Dieses Geheimnis hat er mit ins Grab genommen. Oder wohin auch immer er verschwunden sein mag.«
    Sie blätterte in dem Buch und stoppte auf einer Seite, die mit einem ledernen Lesezeichen markiert war.
    »Soll ich dir ein Kapitel vorlesen? Es handelt von einem, der wirklich an die Quelle der Jugend geglaubt hat   …«
    Ohne seine Antwort abzuwarten, fing sie an zu lesen.

D er neue Heimleiter
    »Brief an das Büro der Staatsanwaltschaft, datiert 6.   März 1941
     
    ›Sehr geehrte Herren,
    die Ereignisse, die ich Ihnen im Folgenden beschreiben werde, liegen schon weit zurück, aber da ich nun in die Jahre gekommen bin und spüre, dass ich unserem Schöpfer bald begegnen werde, habe ich das Bedürfnis, mein Gewissen zu erleichtern. Dies ist mein Bericht über das, was sich wirklich zugetragen hat, bevor das Kinderheim Solvilla geschlossen wurde. Außer mir selbst gibt es niemanden mehr, der noch Verantwortung für die Ereignisse übernehmen könnte, und mir bleibt, wie gesagt, nicht mehr viel Zeit. Was Sie mit meinem Bericht tun, bleibt Ihnen überlassen.
     
    Im Frühjahr 1887 bekamen wir einen neuen Heimleiter in der Solvilla, nachdem Fräulein Milla sich verabschiedet hatte, um zu heiraten.Er war ein älterer Herr, gut gekleidet, korrekt und schweigsam. Sein Blick war kühl und die Kinder hatten schon vom ersten Tag an ein wenig Angst vor ihm, obwohl er sein Bestes tat, um freundlich zu ihnen zu sein.
    All unseren Kindern war eines gemein: Sie waren verwaist und hatten auch keine Verwandten, die sich um sie kümmern konnten   – oder wollten. Die Verhältnisse im Heim waren ärmlich, aber Fräulein Milla und ich hatten uns immer, so gut wir konnten, um die Kinder gekümmert und im Großen und Ganzen ging es allen gut. Die Kinder arbeiteten zwar auf den umliegenden Bauernhöfen mit, aber sie hatten trotzdem noch Zeit, um gemeinsam zu spielen. Sie halfen sich gegenseitig und waren gesund und sauber.
    Als der neue Leiter kam, wurde alles anders.
    ›Wir werden gut miteinander auskommen, Fräulein Björk‹, sagte er zu mir, nachdem er mich in sein Büro gerufen hatte, ›solange nur gewisse Regeln eingehalten werden. Ich dulde niemanden in meinem Büro: weder Kinder noch Erwachsene.‹
    Er machte ein finsteres Gesicht, um die Ernsthaftigkeit seiner Worte zu unterstreichen.
    ›Meine Forschungen und meine Experimentedürfen auf keinen Fall gestört werden, deshalb muss die Tür zu diesem Raum immer geschlossen bleiben. Ist das klar?‹
    Ich nickte, aber im Stillen fragte ich mich, mit welcher Art Forschungen sich ein gewöhnlicher Kinderheimleiter wohl beschäftigen mochte   – und warum sie so geheim bleiben mussten. Fräulein Millas Tür hatte immer offen gestanden, für jeden, der etwas fragen oder sich nur ein wenig unterhalten wollte.
    Der neue Leiter begann seine Arbeit damit, die Kinder einer gründlichen medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Allen ging es, von dem einen oder anderen Schnupfen abgesehen, gut. Nur dem kleinen August nicht. Aber das hatten wir ja vorher schon gewusst. Er war erst neun Jahre alt und litt unter schwerer Kinderlähmung, die ihn zwang, die meiste Zeit im Bett zu liegen. Ich las ihm oft vor, wenn er es schaffte zuzuhören, und nachts klingelte er mit einer kleinen Glocke nach mir, wenn die Schmerzen zu stark wurden.
    Zu dieser Zeit war es, wie Sie sicher wissen, nicht ungewöhnlich, dass die Menschen an allerhand Krankheiten starben. Auch Kinder und Jugendliche. Die Möglichkeiten der Krankenpflege waren noch sehr begrenzt und im Kinderheimstanden uns weder Ärzte noch Medikamente zur Verfügung. So wussten wir alle, auch August selbst, dass ihm
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