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Die Verbannung

Titel: Die Verbannung
Autoren: Julianne Lee
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Sonne ging gerade hinter ein paar vereinzelten Wolken auf und schickte rötlich goldene Strahlen über den silbrigen Himmel.
    »Ramsay hat zwei Tage Vorsprung. Glaubst du wirklich, du kannst ihn noch finden?«
    »Es hat seitdem nicht mehr geregnet. Ich habe schon kältere Spuren wieder gefunden.«
    »Und falls du ihn findest - was, wenn er dich tötet?«
    »Dann tötet er mich eben. Das Risiko muss ich eingehen. Aber ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dass er irgendwo unbehelligt weiterlebt. Er wird sterben, und zwar von meiner Hand. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.« Dylan wandte sich der aufgehenden Sonne zu. Nach einem kurzen Aufwärmprogramm zog er das Bajonett aus dem Gürtel und ging zum eigentlichen Training über. Er konzentrierte seine gesamte aufgestaute Wut auf Ramsay, beschwor das Gesicht des Gegners mit den wässrigen Augen und den dünnen Lippen vor seinem geistigen Auge hervor. Das Bajonett war unhandlicher als die lange silberne B rigid, aber er lernte schnell, damit umzugehen. Das Blut begann rascher durch seine Adern zu fließen, sein Herz schlug kräftig und regelmäßig, und bald bedeckte ein feiner Schweißfilm sein Gesicht.
    Die Sonne stand gerade über dem Horizont, als Sinanns Stimme ihn aufschreckte. »Och!« Er blickte auf und entdeckte einen Mann, der sich ihm von dem Hügel am östlichen Ende des Tal her näherte. Die Gestalt schritt zielstrebig durch das Haferfeld direkt auf Dylan zu. Als der Mann nicht mehr weit weg war, sah Dylan, dass er nach Art der Engländer in Samtgewänder und ein Rüschenhemd gekleidet war. Seine Nackenhaare richteten sich auf, während er geduldig, die Hand am Bajonett, abwartete, wie sich die Dinge entwickeln würden. Am Rand des Feldes angelangt, zog der Mann ein Rapier. Immer noch rührte sich Dylan nicht vom Fleck, ließ den Eindringling ruhig näher kommen. Als er ihn schließlich erkannte, war er nicht im Geringsten überrascht.
    »Ramsay!«
    Der Lowlander nahm Haltung an und salutierte spöttisch mit seinem Rapier. »Mr. Mac a'Chlaidheimh - ich meine Matheson. Eigenartig, Euch mit diesem Namen anzureden. Habt den Namen Eurer Frau angenommen, was? Ich wusste ja, was für eine selbstsüchtige Schlampe sie war, aber Euch hätte ich mehr Rückgrat zugetraut.«
    Dylan ging auf die lahme Beleidigung nicht weiter ein, sondern wich ein Stück zurück, um Ramsay vom Feld wegzulocken, dann beschrieb er einen Bogen, sodass er nun das Haferfeld im Rücken hatte und die Sonne Ramsay direkt ins Gesicht schien. Dabei ermunterte er den Mann zum Reden, um ihn von seiner Absicht abzulenken. »Wie ich sehe, habt Ihr nach Eurem Besuch im Tal die Kleider gewechselt.«
    »Allerdings. Mir blieb nichts anderes übrig, nachdem mir mein Mantel und meine Hosen auf dem Weg hierher einfach vom Leib geflattert sind. Äußerst merkwürdig, findet Ihr nicht? Abgesehen davon hat es mir nicht das Geringste ausgemacht, im Hemd in den Wald zurückzulaufen.«
    »Bedford hat Euch aus dem Tolbooth entkommen lassen.«
    Ramsay lachte und blinzelte in die Sonne. Dabei versuchte er, einen Bogen um Dylan zu schlagen, was dieser jedoch nicht zuließ. Jetzt war es an Ramsay, das Gespräch in Gang zu halten, wenn er sich in eine günstigere Kampfposition bringen wollte. »Viel besser. Er hat meine Flucht organisiert. Hat mich mit einer Waffe, einem Pferd, Essen und Geld ausgerüstet.«
    »Also wusste er die ganze Zeit, dass Ihr hier wart.«
    »Stellt Euch nicht dümmer, als Ihr seid. Zwei Meilen südlich von hier liegt ein verlassenes Haus. Ich bin zu Fuß hergekommen, Bedford hat nicht die geringste Ahnung, wo ich mich aufhalte, und dabei soll es auch bleiben. Nachdem ich von dieser Hure, die sich meine Frau geschimpft hat, an die Krone verraten wurde, wollte er unbedingt unsere Geschäftsbeziehung aufrechterhalten und musste mich daher am Leben lassen. Ich durfte zwar offiziell unter meinem eigenen Namen nichts mehr besitzen, aber da war ja noch die Spirit - obwohl mir dieses schöne Schiff eigentlich nie gehört hat. Ich konnte aber eines meiner Schiffe auf einen falschen Namen überschreiben lassen und so meine geheimen Tätigkeiten fortsetzen. Ihr wisst schon, Piraterie und solche Dinge. Mit meinen legalen Geschäften war es aus, aber was blieb, war auch für Bedford noch einträglich genug, um mich vor dem Galgen zu retten. Außerdem hatte er Angst, ich könnte angesichts des drohenden Todes durch den Strang Geständnisse ablegen, die sich für ihn als äußerst unangenehm erwiesen
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